Die meisten Airlines leiden derzeit unter der Ausbreitung des Coronavirus. Für mehrere Wochen werden Ziele in China nicht mehr angeflogen, große Fluggesellschaften wie Lufthansa, British Airways, Delta oder American Airlines müssen bis auf weiteres auf die Einnahmen aus den Fernflügen in chinesische Metropolen verzichten. Der irische Billigflieger Ryanair bleibt derweil gelassen. Liegen deren Schwerpunkte doch vor allem auf kürzeren bis mittleren Strecken. Was bedeutet das für die Aktien?
Die Lufthansa hat gerade angekündigt, wegen des Coronavirus weitere Flüge nach China zu streichen. Lufthansa und ihre Töchter Swiss und Austrian, haben nun bis zum 29. Februar auch Peking und Shanghai aus ihren Flugplänen gestrichen. Die übrigen China-Ziele Nanjing, Shenyang und Qingdao werden bis zum Ende des Winterflugplans am 28. März nicht mehr angeflogen. 54 wöchentliche Fernflüge fallen somit aus. Die 19 wöchentlichen Verbindungen nach Hongkong werden hingegen weiterhin unverändert angeboten. Man beobachte die Situation weiterhin laufend und stehe mit den Behörden im Kontakt, teilte das DAX-Unternehmen noch mit.
China-Flüge sind für Deutschland wichtig. In den ersten elf Monaten 2019 flogen etwa 1,5 Millionen Passagiere aus China nach Deutschland, weiß das Statistische Bundesamt. Erfasst wurden dabei nur Direktflüge. Die meisten Passagiere aus China landeten demnach 2018 in Frankfurt (über eine Million Reisende), gefolgt von München (449.000) und Berlin-Tegel (50.000).
Die Lufthansa-Aktie litt in den vergangenen Monaten unter dem Streit mit der Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo. Im Januar kam nun das Coronavirus hinzu, weshalb Lufthansa im Januar zu den schwächsten deutschen Aktien gehörte. Allein im Januar stürzte sie von 16,41 Euro bis auf 13,45 Euro ab. In den vergangenen beiden Tagen konnte sich der Wert jedoch wieder fangen. Zugute kommen der Lufthansa nämlich die im Zuge der China-Unsicherheiten gefallenen Rohölpreise.
Die Aktie von Niedrigpreis-Flieger Ryanair profitiert hingegen. Seit vergangenem Sommer hat sie die Lufthansa-Aktie deutlich outperformt. Zwar bekamen die Iren wegen der Aussicht allgemein rückläufiger Passagierzahlen Ende Januar auch einen "Corona-Knick". Doch mit den jüngsten Quartalzahlen hat die Ryanair-Aktie den Verlust fast wieder eingeholt.
Im abgelaufenen dritten Geschäftsquartal bis Ende Dezember flog Ryanair dank einer ungewöhnlich starken Nachfrage und gestiegener Ticketpreise nämlich sogar schwarze Zahlen ein. Unter dem Strich stand ein Gewinn von 88 Millionen Euro nach einem Verlust von 66 Millionen ein Jahr zuvor. Im reiseschwachen Winterhalbjahr schreiben Airlines in der Regel rote Zahlen oder kratzen allenfalls an der Gewinnschwelle. Ihre Gewinne erwirtschaften sie vor allem in der Hauptreisezeit im Sommer.
Während die Zahl der Ryanair-Fluggäste um sechs Prozent auf 35,9 Millionen stieg, sprang der Umsatz um 21 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro nach oben. Allein die Ticketpreise stiegen um neun Prozent, die Zusatzerlöse etwa für bevorzugtes An-Bord-Gehen und die Auswahl von Sitzplätzen legten um 28 Prozent zu.
Höhere Ticketpreise könnten wegen der China-Krise und den fallenden Spritpreisen künftig jedoch schwerer durchzusetzen sein. Die bei Bloomberg gelisteten Analysten halten Ryanair derweil weiterhin mehrheitlich für kaufenswert. Das durchschnittliche 12-Monats-Kursziel liegt bei 16,40 Euro. Am optimistischsten sind HSBC, Oddo BHF und Goldman Sachs, die Kursziele bis 19,80 Euro ausgerufen haben. Die SocGen reduzierte ihr Kursziel hingegen kürzlich auf 10,50 Euro. Heute notiert Ryanair bei 15,84 Euro.
Bei Ryanair stört jedoch die Krise der Boeing 737 Max. Das Flugverbot für Boeings Mittelstreckenjet wirft Europas größten Billigflieger bei seinen Wachstumsplänen um Jahre zurück. Die Gesellschaft werde die Schwelle von jährlich 200 Millionen Passagieren nun erst ein bis zwei Jahre später erreichen als bisher geplant, teilten die Iren mit. Von den Einsparungen, die sich die Airline durch den geringeren Kerosinverbrauch des Modells verspricht, dürfte wegen der verspäteten Auslieferungen erst in etwa einem Jahr etwas zu sehen sein. Für das laufende, Ende März endende Geschäftsjahr peilt Ryanair-Chef Michael O'Leary aber weiterhin einen Milliardengewinn an. (Mit Material von dpa-AFX)
Die beiden Aktien lassen sich aufgrund unterschiedlicher Geschäftsmodelle nur eingeschränkt miteinander vergleichen. Dennoch: Die Ryanair-Aktie hat Lufthansa deutlich outperformt. Die Aufwärtsdynamik dürfte nachlassen, ein weiteres Auseinanderklaffen der Kursschere ist unwahrscheinlich. DER AKTIONÄR bleibt für die günstig bewertete Lufthansa-Aktie mittel- bis langfristig zuversichtlich gestimmt. Aktuell ist das Marktumfeld schwierig und das Chartbild angeschlagen. Engagierte Anleger beachten den Stopp bei 13,40 Euro. Für Nach- bzw. Neukäufe sollte eine Bodenbildung abgewartet werden.
Hinweis auf mögliche Interessenskonflikte: Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die durch die durch die Publikation etwaig resultierende Kursentwicklung profitieren: Lufthansa.