Er fällt und fällt: der Kurs der türkischen Lira. Der Abwärtstrend ist aus Türkei-Perspektive extrem sauberer und langfristiger Natur. Immer weiter hat die Währung in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren gegenüber Dollar und Euro an Boden verloren. Die anstehenden Wahlen in der Türkei sind daher nicht nur aus politischer Sicht eine Schicksalswahl.
Am nächsten Sonntag, 14. Mai, findet die Parlaments- und Präsidentschaftswahl in der Türkei statt. Der amtierende Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat dafür gesorgt, dass die türkische Notenbank den Leitzins trotz sehr hoher Inflation zeitweise sogar noch gesenkt hat. Das hat den Währungsverfall beschleunigt. Zuletzt hatte sich die Inflation mit 43,7 Prozent stärker abgeschwächt als erwartet (44,1 Prozent) – niedrigster Stand seit Ende 2021. Das ist allerdings immer noch ein relativ extremer Wert. Der Leitzins wurde zuletzt zudem bei 8,5 Prozent belassen, was im Vergleich eigentlich immer noch unhaltbar niedrig ist.
In den vergangenen fünf Jahren hat der Dollar gegenüber der Lira 355 Prozent an Wert gewonnen. Der Euro legte gegenüber der Lira 322 Prozent zu (siehe Chart).
Umgekehrt hat die Lira allein in den vergangenen zwölf Monaten noch einmal 25 Prozent gegenüber dem Euro verloren und notierte zuletzt nur knapp unter dem jüngst markierten Allzeittief.
Auch die Gewinne türkischer Unternehmen sind zuletzt geschrumpft. Bei einem Erdbeben im Februar wurden mehr als 50.000 Menschen getötet und ein Gebiet verwüstet, aus dem rund 10 Prozent der türkischen Exporte stammten.
Spannend könnte es nun werden, weil sich ein enges Rennen in der Wählergunst zwischen Erdoğan, der seit 20 Jahren an der Macht ist, und dem Führer der Opposition, Kemal Kilicdaroglu, andeutet. Eine gegenüber der letzten Abstimmung deutlich gestiegene Beteiligung von im Ausland lebenden Türken an der Briefwahl belegt das relativ hohe Interesse türkischer Wähler. Sollte Erdogan nicht im Amt bestätigt werden, könnte das zu einer Kehrtwende bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik führen. Demnach ist der Wahlausgang auch eine Schicksalsfrage für den künftigen Lira-Kurs.