Die Aktie des IoT-Spezialisten Kontron zählt aktuell zu den günstigsten Technologiewerten auf dem deutschen Kurszettel. Die aktuelle Kursschwäche nutzen nun die Insider für Käufe. DER AKTIONÄR sprach mit Vorstandschef Hannes Niederhauser unter anderem über die Integration von Katek, die Perspektiven von Kontron und über mögliche weitere Insiderdeals.
DER AKTIONÄR: Herr Niederhauser, Kontron hat vor Kurzem die Zahlen zum ersten Halbjahr veröffentlicht, Sie konnten den Umsatz um knapp 45 % auf 780 Millionen Euro steigern, das operative Ergebnis kam um knapp 35 % auf 82 Millionen Euro voran. Sind Sie, auch vor dem Hintergrund der Katek-Übernahme im ersten Quartal dieses Jahres, mit der Entwicklung zufrieden?
Hannes Niederhauser: Wir sind sehr zufrieden, 35% Ergebniswachstum zeigt, dass sich der globale IoT Markt deutlich vom schwachen wirtschaftlichen Umfeld in Deutschland abkoppeln kann. Vor allem war der Auftragseingang sehr stark, was sich in einem Book-to-bill-Ratio von 1,29 widerspiegelt. Unser Auftragsbestand ist damit auf rund 2 Mrd. Euro angewachsen. Damit haben wir mehr als einen ganzen Jahresumsatz in den Büchern.
Welchen Anteil daran hatte Katek, die Kontron im zweiten Quartal erstmals voll konsolidiert hat, und wie bewerten sie den Stand der Integration?
Hannes Niederhauser: Was die Integration betrifft, haben wir das öffentliche Angebot und das Delisting abgeschlossen und haben erste Effizienz- und Optimierungsmaßnahmen umgesetzt. Das wurde in Q2 bereits mit der auf 36,8 % verbesserten Bruttomarge deutlich. Wir liegen bei der Integration im Plan, die Synergien zu heben. Dabei werden wir im Bereich Electronic Manufacturing das Geschäft mit geringeren Margen weiter zurückfahren. Die Mitarbeiterzahl haben wir um ca. 500 im laufenden Jahr reduziert. Das Thema ist bereits abgeschlossen. Der Katek-Anteil am Konzernumsatz lag in Q2 bei 31,5 %. Der EBITDA Anteil ist derzeit noch etwas geringer.
Was haben die Maßnahmen insgesamt bisher gekostet und was bringen sie?
Hannes Niederhauser: Im zweiten Quartal fielen rund 2,9 Mio. Euro an außerordentlichen Kosten für Abfindungen und Akquisitionskosten et cetera an, weitere circa 3 Mio. Euro erwarten wir im zweiten Halbjahr. Aus den Maßnahmen erwarten 2025 wir eine Effizienzsteigerung in Höhe von 20 Mio. Euro. Dazu kommen noch Einsparungen von etwa 6 Mio. Euro bei den Finanzierungskosten und bei den allgemeinen Verwaltungskosten aus dem Entfall des Katek-Listings, Versicherungskosten, Bürokosten et cetera.
Der Photovoltaik-Markt schwächelt, die Elektromobilität verliert in gewisser Hinsicht an Popularität, würden Sie vor diesem Hintergrund Katek noch einmal übernehmen?
Hannes Niederhauser: Wir wären schlecht beraten, unsere langfristige Strategie von temporären Schwankungen in einzelnen Märkten abhängig zu machen. Mit Katek haben wir uns den Zugang zu neuen Wachstumsmärkten im Bereich GreenTec gesichert, wofür der antizyklische Zeitpunkt günstig war, was sich auch im Preis widergespiegelt hat. Für Kontron bedeutet das ein Zusatzgeschäft in einem wachsenden Marktsegment – trotz der aktuellen Schwäche im Solarbereich. Dafür läuft der Bereich Wallboxen im GreenTec Bereich besser als erwartet. Bei Kontron gibt es aber nur eine sehr geringe Abhängigkeit von einer einzelnen Branche oder Kunden. Wir haben über 4.500 Kunden für IoT Lösungen aus einer Vielzahl von Branchen. Der IoT-Markt wächst jedes Jahr zweistellig und das ist auch unser Anspruch an uns selbst
Wie wollen Sie das anstellen?
Hannes Niederhauser: Wir sind aktuell vor allem in Europa stark und wollen das Geschäft in USA und Ostasien ausbauen. Aus technologischer Sicht bieten wir NIS-2-konforme Produkte an. Sie erfüllen die von der EU vorgegebenen Cybersicherheitsvoraussetzungen und gelten daher weltweit als besonders sicher. Sie unterliegen auch keinen Restriktionen, wie beispielsweise einige chinesische Hersteller und kommen daher weltweit gut an. Wir installieren auf allen unseren Produkten mittlerweile das hauseigene Kontron-OS Betriebssystem, bei dem die Sicherheit und IoT Vernetzung im Betrieb im Vordergrund steht, und arbeiten an einer HEMS-Software, also an einer Home-Energy-Management-Software, die in Q1 2025 in den Markt geht und die Effizienz in der Energiesteuerung von Wohnungen erhöht. Wir sind dabei aktuell der einzige Hersteller, der in der Lage ist, Wallboxen, smarte Stromnetze und die Ladetechnik im Elektroauto mit bidirektionalem Laden bzw. Entladen, also dem Auto als Batterie für das Haus, in einem System für Kunden sinnvoll nutzbar zu steuern.
Im E-Mobility-Markt läuft es aber aktuell nicht reibungslos?
Hannes Niederhauser: Was den Gesamtmarkt betrifft, ja, es werden momentan weniger Elektroautos als erwartet verkauft. Für uns hat das aber keine wesentlichen Auswirkungen, was daran liegt, dass wir noch einen sehr kleinen Footprint in diesem Markt haben und das Geschäft mit den Wallboxen insgesamt wächst. Dabei sind wir mit unseren technologischen Lösungen sehr gut aufgestellt. Wir haben im laufenden Jahr bereits Aufträge über mehr als 300 Mio. Euro für Wallboxen gewonnen und sind zuversichtlich, dass mehr Aufträge kommen werden. Wir sprechen mit diversen Herstellern unter anderem über bidirektionale Ladetechnik, welche in Kombination mit unserer HEMS-Software den Kunden die Möglichkeit gibt, durch intelligentes Laden die Ladekosten von bis zu etwa 2.000 Euro pro Jahr in etwa zu halbieren. Unsere Technologie bietet ein Win-Win für alle. Daher verzeichnen wir im E-Mobility-Bereich bei E-Autos aktuell ein starkes Wachstum.
E-Mobility läuft also, welche Kundensegmente laufen daneben noch gut?
Hannes Niederhauser: Bei 43% Wachstum in 2024 laufen alle IoT Anwendungen gut. Künstliche Intelligenz benötigt enorme Datenmengen und nur IoT Geräte können diese liefern. Wir haben aktuell ein starkes Wachstum im Bereich Datenkommunikation für Bahntechnik mit den Standards GSM-R und bei FRMCS als zukünftigen Standard. Wir haben im Bereich der sicherheitsrelevanten Bahnkommunikation, wo es um die Vernetzung und Steuerungen von Bahnen geht, etwa 50 % Marktanteil in Europa und haben gute Aussichten, dass wir mit der anstehenden Migration zu FRMCS klare Nummer 1 werden, da unser größter Wettbewerber in der Entwicklung etwa zwei Jahre hinter uns liegt. Das sieht man auch im Auftragseingang. Wir verzeichnen seit gut zwei Jahren Book-to-bill-Ratios von über 2 in diesem Bereich. Ebenfalls stark entwickelt sich der Bereich Aerospace & Defence. Auch hier profitieren wir von unserem Kontron-OS Betriebssystem, das mit NIS-2 und NIS-T sowohl die europäischen als auch US-amerikanischen Sicherheitsstandards erfüllt. Im Auftragseingang machen sich daher auch die verstärkten Ausgaben für die Verteidigung bemerkbar. Wir beliefern hier allerdings keine Waffensysteme, sondern sind für die Datenvernetzung zum Beispiel bei Helikoptern zuständig.
Welche Initiativen unternehmen Sie, um das hohe Wachstum aufrecht erhalten zu können?
Hannes Niederhauser: Unser Segment Global, das derzeit für ca. 15 Prozent der Umsätze steht, wollen wir auf 25 % bringen, indem wir das komplette Kontron-Portfolio global ausrollen. In den USA erwarten wir zum Beispiel einen Wachstumsboost im Bereich Aerospace & Defence im zweiten Halbjahr und im Jahr 2025. Im US-Geschäft hilft uns neben dem Umstand, dass wir bei 5G-Modulen der einzige nicht-chinesische Lieferant sind, auch die enge Kooperation mit Technologiepartner wie Intel, Microsoft oder Qualcomm. Themen wie Reshoring und Smarte Fabriken bringen zusätzliche Impulse. Wir gehen auch davon aus, dass das Geschäft in Ostasien insgesamt wieder anziehen wird. Hohe Erwartungen haben wir an unser Segment Software + Solutions. Wir haben hier bereits einen Auftragsbestand von 914 Mio. Euro, den Roll-out in den USA haben wir zudem erst gestartet. Mit Kontron-OS und Kontron-Grid sind wir zuversichtlich, einen starken Standard für vernetzte Geräte bzw. Maschinen im Portfolio zu haben. Aufgrund des hohen Software-Anteils mit Bruttomargen von bis zu 60 % werden mit dem Wachstum des Segments auch die Margen steigen. Hinzu kommt, dass bereits jetzt unser Design-Win-Volumen von 4,1 Mrd. Euro per Ende 2023 auf über 6 Mrd. Euro angewachsen ist. Das entspricht zum Halbjahr einem Sprung um 46 %.
Zum Abschluss: Zuletzt gab es einige Insiderkäufe, sowohl von Ihnen als auch von ihrem Vorstandskollegen und CFO Clemens Billek. Sind angesichts der zuletzt mit dem Gesamtmarkt rückläufigen Kursentwicklungen weitere Insideraktivitäten geplant?
Hannes Niederhauser: Das aktuelle Kurslevel von Kontron ist aus meiner Sicht überraschend günstig, was auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist, die aber nicht operativ begründet sind. Daher habe ich und mein Kollege die Gelegenheit beim Schopf ergriffen. Die Umsatz- und Gewinnperspektiven für Kontron sind aktuell ausgezeichnet. Weitere Aktivitäten bei dem derzeitigen Kursniveau sehr wahrscheinlich.
Kontron ist es erneut gelungen, schneller als der IoT-Markt zu wachsen. Mit der Katek-Integration liegt man im Plan, Auftragsbestand und Auftragseingang sind eine gute Basis, um die ausgegebenen Ziele zu erreichen. Die Aktie ist nach dem Rücksetzer am Gesamtmarkt mit einem 2024er-KGV von 10 bzw. 8 für 2025 so günstig wie lange nicht mehr. Das Management hat nicht ohne Grund selbst zugegriffen. CEO Niederhauser war mit seinen Insiderkäufen in der Vergangenheit stets ein guter Indikator. Das bestärkt die grundsätzlich positiven Sichtweise. Die Aktie kann in einem guten Marktumfeld und einem wiederkehrenden Interesse an Nebenwerten durchaus ein Niveau von 20 Euro plus X erreichen.