Vor dem Hintergrund der schwachen gesamtwirtschaftlichen Dynamik überlagern in der Chipbranche die Bestände an vielen Stellen noch immer die Endnachfrage. Die erhoffte Belebung lässt weiter auf sich warten – auch bei Infineon. Vorstand Jochen Hanebeck hat die Investoren daher auf einen weiter verhaltenen Geschäftsverlauf eingestellt. Analysten sehen dennoch Erholungspotenzial für die Aktie.
„Der Abbau erhöhter Lagerbestände dauert an. Die Sicht auf die Nachfrageentwicklung über ein, zwei Quartale hinaus wird durch kurzfristiges Bestellverhalten und Bestandsabbau getrübt“, so Infineon-Vorstand Jochen Hanebeck bei der Vorlage der Jahresahlen. „Aktuell bieten unsere Endmärkte, mit der Ausnahme von künstlicher Intelligenz, kaum Wachstumsimpulse, die zyklische Erholung verzögert sich.“
Analysten haben entsprechend reagiert. Simon Coles von Barclays kappte seine Umsatzschätzung für das Geschäftsjahr 2024/25 und rechnet nun mit einem Rückgang um vier Prozent. Doch der Experte sieht auch etwas Licht am Ende des Tunnels: Es gebe etwas Überschusspotenzial, sollte der Geschäftszyklus wider Erwarten doch Fahrt aufnehmen. Kurzfristig seien KI-Server der einzige Bereich, in dem es wirklich gut laufe. Coles hat die Kaufempfehlung mit Ziel 36 Euro bestätigt.
Auf diesem Niveau sieht seine Kollegin Sara Russo von Bernstein Research („Outperform“) die DAX-Aktien ebenfalls fair bewertet. Die vom Chipkonzern veröffentlichten Quartals- und Jahreszahlen seien im Paket gemischt ausgefallen, so die Analystin. Für sie bleibt das mögliche Ausmaß einer anstehenden Erholung unklar, die längerfristigen Wachstumsaussichten seien unverändert gut.
Auch bei Goldman Sachs kommt man zu einem ähnlichen Fazit. Der Chipkonzern erwarte nach dem ersten Quartal ein schrittweise positives Wachstum, so Analyst Alexander Duval. Die Dynamik der Lagerabbauprozesse normalisiere sich und der Effekt davon paare sich mit unternehmensspezifischem Rückenwind – insbesondere im KI-Bereich.
DER AKTIONÄR hat bereits erklärt, dass immer mehr große Prozessorenhersteller dem Vernehmen nach inzwischen im KI-Bereich auf Chips aus dem Hause Infineon setzen würden. Wichtig in diesem Zusammenhang: In klassischen Servern werden Leistungshalbleiter zur Steuerung des Stromzuflusses zu den Prozessoren im Wert von bis zu 80 Dollar verbaut, in einem KI-Server seien es bis zu 1.800 Dollar. Passend dazu hat der Konzern im Bereich PSS auch ein Leistungsmodul im Programm, das eine führende Leistungsdichte bietet und gleichzeitig die Gesamtbetriebskosten für KI-Rechenzentren senkt. Die Umsätze mit Halbleitern für Rechenzentren dürften in den kommenden Jahren überproportional steigen.
DER AKTIONÄR stimmt den Analysten zu und hält an seiner grundlegend positiven Einschätzung zu Infineon fest. Größere Abwärtsrisiken sollten durch die niedrigen Bewertungsmultiplikatoren begrenzt sein. Gut möglich, dass mit den Q1-Zahlen von Micron Technologies am 18. Dezember ein erster Stimmungsumschwung in der Branche ausgelöst wird. DER AKTIONÄR wird im Vorfeld noch auf die Hintergründe eingehen. Anleger mit Weitblick können weiter an ihren Positionen festhalten – sollten sich aber zunächst auf eine Fortsetzung der Bodenbildungsphase um 30 Euro einstellen.
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