Es deutet sich der Showdown an. Die Ankündigung von Wladimir Putin, für Gaslieferungen aus Russland müssten "unfreundliche Staaten" wie Deutschland und die übrigen EU-Mitglieder in Rubel bezahlen, verschärft Ängste vor einer Krise am Energiemarkt. Gazprom als wichtigster Lieferant für viele Staaten steht hier natürlich im Mittelpunkt des Streits.
Die Abkehr von Fremdwährungen soll in erster Linie den Rubel stärken, dessen Kurs nach Russlands Einmarsch in die Ukraine abgestürzt ist. Und tatsächlich legte die russische Landeswährung unmittelbar nach Putins Anweisung zu Dollar und Euro kräftig zu. Auch am Donnerstag ist der Kurs des Rubel zum Dollar gestiegen. Am Vormittag kostete ein Dollar rund 96 Rubel, vor der Ankündigungs Putins vom Mittwoch waren es noch mehr als 100 Rubel. Kurz vor Kriegsbeginn kostete ein Dollar rund 80 Rubel.
Schätzungen der Brüsseler Denkfabrik Bruegel zufolge geben die EU-Staaten derzeit täglich rund 420 Millionen Dollar (380 Millionen Euro) für russisches Gas aus und knapp 400 Millionen Dollar (362 Millionen Euro) für Öl aus Russland. Dreistellige Millionenbeträge in Euro oder Dollar müssten also allein für Gasimporte in Rubel getauscht werden, um Lieferungen zu bezahlen.
Lässt sich das bewerkstelligen?
Fachleute sind unsicher. Kerstin Hottner, Rohstoffexpertin bei der Schweizer Bank Vontobel, verwies darauf, dass etwa 60 Prozent der russischen Gaslieferungen in Euro und 40 Prozent in Dollar bezahlt werden. Die Frage sei, ob es überhaupt möglich wäre, für die teils langfristigen Lieferverträge kurzfristig die Währung zu ändern. Und ob Gasimporteure ihre Währungen in Rubel tauschen könnten, denn viele russische Banken und auch die Zentralbank stehen unter Sanktionen.
Ob die Liquidität am Rubelmarkt reiche, um alle Gasrechnungen in der russischen Währung zu begleichen, sei schwer zu sagen, meint Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thüringen. Jedoch könne die russische Notenbank theoretisch unbegrenzt Rubel drucken und an Gas-Käuferländer gegen Devisen geben, fraglich sei der Umtauschkurs.
OMV will nicht
Große Unternehmen wollen sich dazu nicht äußern. Aus Kreisen der Energiehandelsbranche hieß es, dass die Anweisung Putins derzeit nicht als problematisch angesehen werde. Es würden weiter Zahlungen geleistet, auch in Rubel. Anders reagiert der österreichische Energiekonzern OMV: Er will seine Zahlungen für russisches Gas vorerst nicht von Euro auf Rubel umstellen.
Müssen die Gegner Moskaus nun ihre eigenen Sanktionen umgehen?
Putin hat Europa in eine Zwangslage gebracht. Der Westen unterliefe seine eigenen Sanktionen, wenn er sich Rubel bei Russlands Zentralbank besorge, um Gazprom für Lieferungen zu bezahlen, sagt Jens Südekum, Professor für internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Putin mache einen Vertragsbruch und "testet jetzt, ob wir da mitgehen", so der Ökonom. Dieses Spielchen könne der Westen nicht ernsthaft mitmachen.
Putins Schritt dürfte ein Versuch sein, die EU zu zwingen, ihre Sanktionen zu unterlaufen, meinen auch Analysten der Dekabank. Westliche Länder haben im Ausland lagernde russische Devisenreserven weitgehend blockiert. Commerzbank -Devisenexperte Ulrich Leuchtmann betont aber, dass nicht alle russischen Banken vom Kommunikationsnetzwerk Swift ausgeschlossen sind. Der Kauf von Rubel, um Gas-Rechnungen zu bezahlen, sei durchaus möglich. Jedoch könnten die Preise steigen, wenn Verträge auf Rubel umgeschrieben würden. "Europäische Importeure, die mittels längerfristiger Lieferverträge bisher vor dem Anstieg der Gaspreise geschützt waren, könnten sich verschlechterten Konditionen ausgesetzt sehen", so die Commerzbank.
Was bedeutet Putins Schritt für die Gasversorgung in Deutschland?
Die Gaslieferungen laufen nach russischen Angaben weiter. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fordert die Bundesregierung aber auf, die Frühwarnstufe im nationalen Notfallplan Gas auszurufen. "Es liegen konkrete und ernstzunehmende Hinweise vor, dass wir in eine Verschlechterung der Gasversorgungslage kommen", sagte BDEW-Chefin Kerstin Andreae. Seitens der Bundesnetzagentur müssten Kriterien entwickelt werden, welche Industrien und Sektoren weiter mit Gas auch bei einer Mangellage versorgt werden: "Die Haushaltskunden sind qua existierender Regelung geschützt." Das Bundeswirtschaftsministerium sagte, derzeit gebe es keine Engpasslage und daher auch keine Notwendigkeit für eine Frühwarnstufe.
Es wird spannend, inwieweit Gazproms Partner den Forderungen des Kremls nachkommen. Die Gazprom-Aktie waren indes gestern an der Moskauer Börse kurzzeitig wieder handelbar. In Deutschland ist der Handel mit den Anteilen des weltgrößten Erdgasproduzenten weiterhin nicht möglich. Anleger sollten aber ohnehin weiter eher auf Konkurrenten wie Shell oder Equinor setzen.
Mit Material von dpa-AFX