Die Bullen an der Wall Street zeigen mitten im schnellsten Crash aller Zeiten ihre Hörner. Der Dow Jones beendet den Handel am Dienstag mit einem Plus von 2.112,98 Punkten oder 11,37 Prozent. Es ist der höchste Ein-Tages-Gewinn seit 1933! Der Corona-Crash verliert an diesem Tag an Brutalität, das Minus vom Hoch sinkt erstmals seit Montag vergangener Woche unter 30 Prozent.
Die Bullen haben an diesem Dienstag den Bären gezeigt, dass sie auch noch da sind. In einer rasanten Erholungsbewegung hat der Dow Jones Industrial die heftigen Verluste einer ganzen Handelswoche an einem Tag wieder wett gemacht. Das weltweit bekannteste Börsenbarometer eroberte am Dienstag mehr als 2.000 Punkte zurück und stieg um 11,37 Prozent auf 20.704,91 Punkte. Einen solch kräftigen Gewinn hat es seit 1933 nicht mehr gegeben.
Auftrieb gaben zuversichtliche Aussagen von US-Senatoren, dass ein Billionen US-Dollar schweres Konjunkturpaket gegen die Folgen der Coronavirus-Krise kurz vor der Verabschiedung stehe. Medienberichten zufolge sollen mindestens 1,5 Billionen Dollar (1,4 Billionen Euro) in die Wirtschaft gepumpt werden. Am Montag hatte bereits die US-Notenbank (Fed) weitere Stützungsmaßnahmen für die Wirtschaft angekündigt. Diese hatten den Dow allerdings nicht stützen können. Er war stattdessen das tiefste Niveau seit November 2016 gesackt.
Der marktbreite S&P 500 stieg am Dienstag um 9,38 Prozent auf 2.447,33 Punkte und damit so kräftig wie zuletzt 2008. Der technologielastige Nasdaq 100 gewann 7,81 Prozent auf 7.553,83 Punkte.
"Das einen Wendepunkt zu nennen, ist noch zu früh"
"Die Stimmung hat sich aufgehellt", kommentierte ein US-Marktstratege die Marktbewegung. "Aber das einen Wendepunkt zu nennen, ist noch zu früh", blieb er skeptisch. Das Hin und Her der Börsen gleiche mehr einem Tauziehen. "Es wird zwar alles Erdenkliche getan, aber zugleich sehen wir einen Kampf gegen sehr schwache Wirtschaftsdaten und weiterhin beunruhigende Trends mit Blick auf die Covid-19-Daten." Für Risikowerte wie Aktien sei er daher zurzeit eher neutral gestimmt.
Von der beeindruckenden Erholung profitierten vor allem überdurchschnittlich gebeutelte Werte wie etwa Boeing im Dow mit einem Plus von knapp 21 Prozent. Der angeschlagene Flugzeugbauer hatte mitgeteilt, er sei wegen der Virus-Krise nicht zwingend auf Staatshilfen angewiesen. Boeing sei liquide, sagte Vorstandschef Dave Calhoun. Auch andere Aktien aus der Luftfahrtbranche wie United Airlines oder Delta Air Lines sprangen um mehr als 20 Prozent hoch. American Airlines schossen sogar um knapp 36 Prozent nach oben. Allerdings müsste sich der Kurs immer noch nahezu verdoppeln, um wieder das Niveau vor Beginn der Virus-Panik zu erreichen.
"Beispiellose Nachfrageschwäche"
Ölwerte erholten sich ähnlich stark: Sie hatten zuletzt nicht nur unter der Viruskrise, sondern auch unter den massiv eingebrochenen Ölpreisen gelitten, die aktuell wieder stiegen. Nach Einschätzung des Rohstoffexperten Eugen Weinberg von der Commerzbank dürften die Hilfsmaßnahmen der Fed den Ölpreisen jedoch nur kurzfristig Aufwind geben. Immer neue Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft, die eine "beispiellose Nachfrageschwäche" mit sich brächten, dürften auf längere Sicht belasten - ebenso wie ein Preiskampf unter den führenden Ölstaaten. Im S&P 100 etwa stiegen die Papiere von ConocoPhillips um 25 Prozent und im Dow gewannen die Aktien von Chevron knapp 23 Prozent. Seit dem Jahreswechsel haben die Chevron-Papiere im Zuge des Börsencrashs allerdings zeitweise mehr als die Hälfte an Wert verloren. Das relativiert daher die Erholung. Angesichts der Virus-Krise streicht Chevron nun seine Förderpläne und Investitionen zusammen. Auch der Rückkauf eigener Aktien werde vorerst gestoppt.
Das Comeback der Bullen ist eindrucksvoll und hat durchaus Wendepunkt-Charakter, nachdem der Dow Jones zuletzt am Montag ein neues Crash-Tief erreicht hatte. Dennoch: Bei aller Euphorie angesichts dieses markanten Ausrufezeichens der Bullen: Jetzt von einer Trendwende zu sprechen ist verfrüht. Sollte der Dow allerdings auch morgen zulegen können, wäre zumindest eine Negativserie gerissen: Seit dem Hoch am 12. Februar ist es dem Dow Jones nicht mehr gelungen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit einem Plus zu schließen.
Mit Material von dpa-AFX