Die österreichische Kontron AG ist ein führender Spezialist für intelligente IoT-Lösungen, die beispielsweise in kritischen Infrastrukturen wie Hochgeschwindigkeitszügen, Stromnetzen, Flugzeugen oder sonstigen Fahrzeugen eingesetzt werden. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und reichen von intelligenten Wallboxen über Schweißroboter bis hin Anwendungen in der Medizintechnik, beispielsweise im Bereich Roboterchirurgie. Am Angebotsspektrum wird deutlich, dass Kontron mit der intelligenten Software der Tochter susietec® auch im KI-Umfeld aktiv ist. Aktuell läuft mit Hochdruck die Integration von Katek, vor wenigen Tagen kam das Übernahme- und Delistingangebot an die freien Aktionäre, nachdem sich Kontron erfolgreich die Mehrheit vom bisherigen Großaktionär (60 %) Primepulse sichern konnte. CEO Hannes Niederhauser blickt im Exklusivinterview mit DER AKTIONÄR auf ein erfolgreiches Jahr 2023 zurück und gibt einen Ausblick auf das laufende Jahr und darüber hinaus.
DER AKTIONÄR: Herr Niderhauser, Kontron hat vor Kurzem die finalen Zahlen für das Geschäftsjahr 2023 vorgelegt. 2023 konnten Sie den Umsatz um 15 % auf gut 1,2 Milliarden Euro und das Nettoergebnis um 36 % auf 75,3 Millionen Euro, sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?
Hannes Niederhauser: Absolut. Wir haben die angehobene Prognose bei Umsatz und Nettogewinn erfüllt bzw. sogar noch einmal leicht übererfüllt, insofern sind wir mit der Entwicklung sehr zufrieden. Wenn wir die erfolgreiche Mehrheitsübernahme von Katek dazunehmen, ist es uns vor allem gelungen, über organisches wie anorganisches Wachstum den durch den Verkauf des IT-Service-Geschäfts an Vinci im Jahr 2022 weggefallenen Umsatzes in Höhe von fast 390 Millionen Euro mehr als auszugleichen. In den nächsten Monaten steht die Integration von Katek im Fokus, was uns im Übrigen bis dato gut gelingt. Wir sind zuversichtlich, zeitnah die ersten Produkte aus gemeinsamer Arbeit präsentieren zu können.
Eine kritische Frage, bevor wir zur Katek-Integration kommen: Die Dividende fällt mit 0,50 Euro gegenüber 2023 mit 1,00 Euro deutlich geringer aus, das hat nicht jedem Aktionär gefallen?
Hannes Niederhauser: Wenn man die Historie von Kontron nicht so genau kennt, mag das den einen oder anderen verwirren, was wir auch bei der einen oder anderen Headline in den Medien verwundert lesen mussten. Man muss allerdings berücksichtigen, dass wir im vergangenen Jahr für 2022 aufgrund des Verkaufs des IT-Service-Geschäfts und des damit verbundenen hohen Liquiditätszuflusses eine außerordentlich hohe Dividende ausgeschüttet haben, die eine Sonderdividende aus dem Sparten-Verkauf beinhaltete. Die passendere Vergleichsbasis wäre die Dividende für das Geschäftsjahr 2021, als wir 0,35 Euro je Aktie an Dividende gezahlt hatten. Gegenüber diesem Wert entspricht die Dividende für 2023 einem Plus von fast 43 %. Derartige Steigerungsraten bei der Dividende finden Sie nicht bei vielen Technologieunternehmen.
Der Zeitplan bis zum finalen Abschluss der Katek-Übernahme bleibt?
Hannes Niederhauser: Am 15.April wird es wie angekündigt das Angebot für die freien Aktionäre inklusive des Angebots für das Delisting geben. Die Angebotsfrist wird bis Mai laufen, danach wird es wie geplant das Delisting von Katek folgen. Wir planen mit dem finalen Abschluss der Integration im Laufe des zweiten Quartals. Der Katek-Kauf ist für uns ein Game-Changer, um Umsatz und Ergebnis bis 2025 weiter deutlich zu steigern.
Welche Integrationskosten setzen Sie an und wie werden diese verbucht?
Hannes Niederhauser: Wir kalkulieren mit M&A- und Integrationskosten in Höhe von 3 Millionen Euro. Einen großen Teil werden wir bereits im ersten Quartal verbuchen, und dieses belasten. Hier fallen insbesondere die Kosten für die Rechtsberatung für den M&A-Prozess und in Teilen bereits erste Kosten für die eigentliche Integration an. Gleichzeitig können wir im ersten Quartal nur für März Umsätze von Katek konsolidieren. Die Synergien und Margenpotenziale aus dem Katek-Kauf werden im Jahresverlauf und darüber hinaus sukzessive zu deutlichen Ergebnisverbesserungen führen.
Können Sie die Einsparpotenziale quantifizieren?
Hannes Niederhauser: Insgesamt rechnen wir für die Jahre 2024 und 2025 mit rund 10 Millionen Euro an positiven Kosteneffekten. Etwa 4 Millionen Euro erwarten wir davon bereits im laufenden Jahr. Den weit größeren Benefit steuern wir mit unserer Technologie selbst bei, indem wir mit der Kombination unserer Software mit Katek-Technologie höhere Bruttomargen erreichen. Daraus erwarten wir uns insgesamt 31 Millionen Euro, wobei der größte Effekt 2025 sichtbar wird, da wir naturgemäß zunächst die Produkte entwickeln müssen, bevor wir sie verkaufen können. Trotzdem erwarten wir bereits für 2024 9 Millionen Euro an positiven Margeneffekten. Unter dem Strich sind wir zuversichtlich, mit der aktuellen Konstellation inklusive Katek 2024 einen Nettogewinn von 100 Millionen Euro zu erreichen, 32 Prozent mehr als 2023.
Sie hatten die zeitnahe Vorstellung gemeinsamer Produkte bereits angerissen, können Sie etwas konkreter werden?
Ein entscheidender Punkt für den Katek-Kauf war für uns der Umstand, dass Katek rund die Hälfte des Umsatzes mit grüner Technologie macht. Zu den ersten Produkten werden entsprechend intelligente Wallboxen gehören, die bidirektionales Laden- bzw. Entladen möglich machen. Mit entsprechenden Einstellungen wird es auch möglich sein, dann zu laden, wenn der Strom am günstigsten ist. Hier sind wir in vielversprechenden Gesprächen mit Kunden und Partnern. Erste Umsätze daraus erwarten wir für das zweite Halbjahr, insbesondere für Q4 2024.
Bezüglich Katek gab es am Markt Spekulationen über eine etwas höhere Abfindung per Aktientausch, es sollen auch Arbitrageure aktiv gewesen sein, was den Kurs über Short-Positionen teilweise gedrückt hat. Was sagen Sie dazu?
Hannes Niederhauser: Ähnliche Rückmeldungen haben auch wir vom Markt erhalten, allerdings können wir nicht abschätzen, in welcher Größenordnung derartige Aktivitäten stattfinden oder stattfanden. Da es über die 15 Euro je Katek-Aktie von unserer Seite aus nicht hinausgehen wird, gehe ich gehe davon aus, dass der Druck abebben wird. Seit dem 15. April ist auch die Angebotsunterlage veröffentlicht, wir bieten wie angekündigt entweder 15 € in bar je Katek-Aktie oder als Alternative für vier Katek-Papiere drei Kontron-Aktien.
Sie haben für 2024 einen Umsatz von 1,9 Mrd. Euro und 100 Millionen Euro Nettogewinn in Aussicht gestellt, die Analysten liegen im Schnitt mit ihren Schätzungen allerdings teils deutlich darunter. Wie stehen Sie dazu?
Hannes Niederhauser: Einige Analysten warten noch das Ende des Übernahmeangebots ab, bevor sie ihre Schätzungen aktualisieren. Erste Updates von Jefferies, Pareto und Warburg gibt es bereits. Generell müssen wir operativ das liefern, was wir versprochen haben, dann löst sich diese Diskrepanz von selbst auf. Wir sind uneingeschränkt optimistisch, dass wir die Ziele, die wir für 2024 formuliert haben, erreichen werden. Dann werden auch unsere Aktionäre für ihre Geduld belohnt.
Das Thema IoT ist ein Wachstumsmarkt, der mit 15 % bis 20 % jährlich wächst, und Kontron ist mittendrin. Trendthemen wie KI beflügeln zusätzlich. Dank des gut gefüllten Orderbuchs mit 1,7 Milliarden Euro Auftragsbestand und eines Book-to-Bill-Ratios von 1,19, was ein Umsatzwachstum von rd. 19 % impliziert, rechnet DER AKTIONÄR 2024 mit einer Fortsetzung des Wachstums. Dem Ziel, bis 2025 inklusive Zukäufen auf 2 Milliarden Euro Umsatz und 140 Millionen Euro Nettogewinn zu kommen, sind die Österreicher ein gutes Stück nähergekommen. Das KGV sinkt vor diesem Hintergrund von aktuell 16 für 2023 auf unter 9 für 2025. Die Aktie notiert bei aktuell 19 Euro am unteren Ende ihres seit 2022 gültigen Aufwärtstrendkanals. Wenn das Team um CEO Niederhauser liefert, rechtfertigen die Kennzahlen durchaus Kurse von 25 Euro plus X.