Ob offiziell oder inoffiziell – die beiden verbliebenen beiden deutschen Großbanken Commerzbank und Deutsche Bank sprechen miteinander. Und über ein miteinander. Auf Geheiß des Bundesfinanzministeriums sollen sie einen Deal ausloten. Kommt oder, kommt er nicht? Die Diskussion bewegt vor allem die Aktionäre beider Institute. Und die Aktien?
Die Deutsche Bank will nach Informationen der Welt am Sonntag mit der Commerzbank die Möglichkeit einer Fusion ausloten. Der Vorstand des größten deutschen Geldhauses habe beschlossen, Gespräche mit dem Konkurrenten aufzunehmen, berichtet die Zeitung unter Berufung auf Finanzkreise. Es habe bereits "inoffizielle Kontakte in sehr kleiner Runde gegeben", die allerdings noch nicht in einem Stadium seien, in dem sie mitteilungspflichtig seien. Sprecher beider Geldhäuser wollten den Bericht am Samstag nicht kommentieren.
Spekulationen über einen Zusammenschluss der letzten beiden unabhängigen Großbanken kursieren seit Monaten. Seit Sommer werben Finanzstaatssekretär Jörg Kukies, Ex-Deutschlandchef von Goldman Sachs, und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) für stärkere deutsche Banken. Und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) schreibt in seiner "Nationalen Industriestrategie 2030", in allen wichtigen Wirtschaftsbereichen brauche es "große und starke Akteure, die mit Wettbewerbern aus den USA oder China auf Augenhöhe sind".
Der Welt am Sonntag zufolge sollen Scholz und Kukies die Bankchefs Christian Sewing (Deutsche Bank) und Martin Zielke (Commerzbank) gedrängt haben, ein Zusammengehen zu prüfen. "Innerhalb der nächsten Wochen, am besten vor der Europawahl Ende Mai" erwarte man in Berlin eine Reaktion. Aus Frankfurter Kreisen zitiert das Blatt, es sei richtig, sich einen Termin zu geben, "sonst schiebt man die Antwort auf diese Frage noch die nächsten zwei Jahre vor sich her."
Risiken und Nutzen einer Fusion der beiden letzten selbstständigen privaten Großbanken in Deutschland sind unter Experten umstritten. Auf dem umkämpften – und traditionell kleingliedrigen – Heimatmarkt stünden ihnen weiterhin die öffentlich-rechtlichen Sparkassen und die genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken als bedeutende Spieler gegenüber. Auf dem internationalen Spielfeld könnte eine neue Großbank dagegen Boden gut machen, wenngleich vor allem die ertragsstarken US-Institute in einer anderen Liga spielen. Und gerade in deren Heimatmarkt – den USA – haben die deutschen Vertreter ihre Schwierigkeiten, allen voran die Deutsche Bank, die einem Agenturbericht zufolge im zurückliegenden Jahr 750 Millionen Dollar Verlust im Aktienhandel ihrer US-Niederlassung eingefahren haben soll.
Als gewichtiges Gegenargument gilt: Beide Häuser sind auch mehr als zehn Jahre nach der Finanzkrise immer noch mit eigenen Baustellen beschäftigt. Die Deutsche Bank hat nach drei Jahren mit zum Teil tiefroten Zahlen 2018 gerade erst die Rückkehr in die Gewinnzone geschafft. Der Aktienkurs ist mit aktuell unter acht Euro weit von einstigen Spitzenwerten entfernt. Auch die Commerzbank sieht sich bei ihrem Konzernumbau noch nicht am Ziel. Das Institut musste im Herbst angesichts eines ebenfalls kräftig gestutzten Börsenwertes sogar den Dax verlassen und in die zweite Börsenliga MDax absteigen.
Der Bund ist mit gut 15 Prozent größter Einzelaktionär der Commerzbank – seit mehr als zehn Jahren: Die Übernahme der kriselnden Dresdner Bank mitten in der Finanzkrise hatte die Commerzbank zum Rettungsfall gemacht, und der Staat bewahrte das Institut mit Steuermilliarden vor dem Kollaps. Es war die erste direkte Beteiligung des Bundes an einer großen Privatbank in Deutschland.
In den Frankfurter Zentralen der beiden Geldhäuser hielt man sich zu den Gerüchten um einen näher rückenden Zusammenschluss bislang stets bedeckt. Die Spekulationen seien "verständlich", hatte Commerzbank-Chef Martin Zielke zuletzt bei der Bilanzvorlage Mitte Februar gesagt: "Das ist etwas, das nicht neu ist. Es macht aber überhaupt keinen Sinn, solche Spekulationen zu kommentieren oder sich daran zu beteiligen."
Und der Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing, hatte sich rund zwei Wochen zuvor kämpferisch gegeben: "Wir haben es selbst in der Hand." Zugleich hatte er mit Blick auf die Fusionsgerüchte gesagt: "Wir glauben an unseren Plan. Dafür müssen wir hart arbeiten. Und über alles andere mache ich mir keine Gedanken. Wir beteiligen uns an diesen Spekulationen nicht." Zur Rolle Berlins in der Diskussion hatte er zudem angemerkt, er freue sich, "dass wir eine Bundesregierung haben, die sich aktiv um den Finanzstandort Deutschland und Frankfurt Gedanken macht".
Während Aktionäre die Diskussion um einen möglichen Zusammenschluss weiterhin gebannt verfolgen dürften, dürfte bei ihnen die Enttäuschung über die bisherige Entwicklung enorm sein. Als Freitag vergangener Woche das Magazin Focus über offizielle, von den Aufsichtsräten mandatierte Gespräche berichtete (wurden dementiert), reagierten die Aktien nicht. Vielmehr verloren Sie unter dem Eindruck der jüngsten Äußerungen von EZB-Präsident Marion Draghi weiter an Wert. Dieser hatte zwar neue Hilfen für Europas Banken in Gestalt von TLTROs ab September in Aussicht gestellt, gleichzeitig aber klar formuliert, dass der Nullzins mindestens bis Jahresende bestehen bleiben wird.
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Mit Material von dpa-AFX
Ein Beitrag von Leon Müller, Chief Editor Börsen.Briefing. – dem täglichen Newsletter des Anlegermagazins DER AKTIONÄR (registrieren Sie sich kostenfrei unter www.boersenbriefing.de)
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