An den Börsen dürfte der Kampf zwischen Konjunktur-Pessimisten und -Optimisten auch in der neuen Woche noch anhalten. Mit den zuletzt wieder anziehenden Kursen wächst nach Einschätzung von Experten aber die Gefahr eines Rückschlags. Ein Wochenausblick – inklusive aktueller Unternehmens-News zu Commerzbank, Lufthansa und Wirecard.
Der Aktienmarkt schwankt seit Tagen zwischen der Hoffnung auf eine Erholung der Konjunktur und Corona-Sorgen, die derzeit fast jeden Tag durch hohe Infektionszahlen vor allem in den USA befeuert werden. Unerwartet starke US-Arbeitsmarktzahlen hatten am Donnerstag vor dem feiertagsbedingt verlängerten Wochenende in den USA indes noch für kräftigen Schwung gesorgt.
Hierzulande wollten dann viele Investoren vor dem Wochenende keine neue Positionen am Markt eingehen. Und so hat der deutsche Aktienmarkt nach seiner Vortagesrallye am Freitag eine Verschnaufpause eingelegt. Der DAX ging letztlich mit einem soliden Wochengewinn von 3,6 Prozent bei 12.528 Punkten ins Wochenende. Dabei konnte er sich über der 200-Tage-Linie halten, die aktuell bei 12.158 Punkten verläuft. Etwas oberhalb bei gut 12.300 Punkten verläuft eine Aufwärtstrendlinie, die nicht nachhaltig unterschritten werden sollte.
Der MDAX der mittelgroßen Börsenwerte kam auf eine Wochenplus von 3,8 Prozent und schloss am Freitag auf 26.600 Zählern.
Die Aktienmärkte gehen nunmehr gespalten in die zweite Jahreshälfte, konstatierte Marktstratege Robert Halver von der Baader Bank. "Einerseits signalisieren die globalen Frühindikatoren mit tatkräftiger Hilfe von Geld- und Fiskalpolitik sogar V-förmige Wirtschaftserholungen. Andererseits muss die Konjunktur-Saat auch tatsächlich aufgehen, zumal weltweit wieder zunehmende Corona-Infektionszahlen Sorgen vor erneuten Shutdowns nähren." Nun stelle sich die Frage, welches Lager der Investoren am Ende die Oberhand gewinnt.
Anleger zwiegespalten
Elmar Völker von der Landesbank Baden Württemberg sieht die Märkte derzeit in einer Art Schwebezustand zwischen Hoffen und Bangen. Die jüngste Entwicklung an den Börsen spiegelt den Zwiespalt der Anleger nur zu deutlich wider: Die steile Rallye infolge des Corona-Crashs von März bis Anfang Juni brachte dem DAX mit einem Plus von fast 24 Prozent den höchsten Zuwachs im zweiten Quartal seit vielen Jahren. Damit nahm ein wegen der Pandemie ausgesprochen turbulentes erstes Halbjahr ein überaus versöhnliches Ende.
Zuletzt allerdings waren die Notierungen wegen zunehmender Zweifel an der schnellen wirtschaftlichen Erholung wieder zurückgekommen. Dies ruft nun abermals die Zweifler zurück auf den Plan: "Der Optimismus an den Börsen nimmt mit den steigenden Kursen immer weiter zu - unsere Skepsis aber auch", heißt es etwa im aktuellen Fuchs-Brief.
Die Autoren des Börsenbriefs erwarten nach wie vor eine zweite Verkaufswelle an den Märkten und halten es für sehr unwahrscheinlich, dass diese ausbleiben könnte. Aktuell kämen jedoch als Kurstreiber vor allem institutionelle Investoren in den Markt. Diesen hätten in der Corona-Panik Regeln zur Verhinderung großer Kursschwankungen oft einen Riegel vorgeschoben und Investments nicht erlaubt, nun aber griffen sie kräftig zu.
Entspannung von Corona-Stress
Dabei dürften die anstehenden Sommerferien verbunden mit der Sehnsucht nach einer "Corona-Pause" und den - noch - fortgesetzten Lockerungen nach Einschätzung der Analystin Claudia Windt von der Landesbank Helaba in den kommenden Wochen zumindest zu einer gewissen Entspannung auch der Anleger beitragen. "Schließlich überraschten die Konjunkturdaten der vergangenen Woche durchweg positiv." Das gelte ebenso für Deutschland wie auch für die USA, wo der Stellenaufbau nach dem massiven Corona-Einbruch wieder an Fahrt aufnimmt und im Juni die Arbeitslosenquote den zweiten Monat in Folge sank.
Allerdings ist laut Windt die Frage nach der Nachhaltigkeit einer solchen konjunkturellen Aufwärtsbewegung mit einigen Fragezeichen zu versehen: Denn nicht nur die rasant steigende Zahl der Neuinfektionen biete Anlass zur Sorge, sondern auch der weiter schwelende Handelskonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China.
Wenig Konjunkturdaten
Laut Chefvolkswirt Ulrich Kater von der Dekabank dürfte sich gleichwohl die Stimmungsaufhellung in der Wirtschaft auch in der kommenden Woche fortsetzen. Der Kalender mit Makrodaten ist allerdings recht dünn bestückt, weswegen von dieser Seite nur wenig Impulse auf die Märkte zu erwarten sind.
Im Fokus der Volkswirte stehen dabei vor allem am Montag die Daten zu Auftragseingängen aus der deutschen Industrie, denen am Dienstag die Zahlen zur hiesigen Industrieproduktion folgen. Aus den USA steht ebenfalls zu Wochenbeginn der ISM-Index als Stimmungsmesser für den Dienstleistungssektor zur Veröffentlichung an.
Wenig Unternehmens-News?
Auch auf Unternehmensseite bleibt es ruhig: Während sich die Zeit der Hauptversammlungen weiter fortsetzt, präsentiert am Mittwoch die Südzucker-Tochter Cropenergies detaillierte Quartalszahlen. Einen Tag später am Donnerstag öffnet dann die Mutter ihre Bücher.
Ansonsten finden wieder eine ganze Menge (virtueller) Hauptversammlungen statt, von denen hier die außerordentliche HV von Siemens zur Abspaltung von Energy hervorgehoben sei.
Am vergangenen Wochenende gab es noch einige Unternehmens-News, die die Kurse zum Wochenstart bewegen könnten. Am Freitagabend gab es einen Paukenschlag: Mitten in der Diskussion über eine Verschärfung des Sparkurses wirft Commerzbank-Vorstandschef Martin Zielke hin - und auch Aufsichtsratchef Stefan Schmittmann geht. Zielkes Vertrag soll spätestens zum 31. Dezember 2020 beendet werden - "einvernehmlich", wie der teilverstaatlichte Frankfurter MDAX-Konzern mitteilte. "Der Aufsichtsrat wird dazu in seiner Sitzung am 8. Juli 2020 einen Beschluss fassen."
Schmittmann kündigte den Angaben zufolge in der Sitzung des Präsidial- und Nominierungsausschusses des Aufsichtsrates am Freitag an, sein Mandat im Kontrollgremium zum 3. August 2020 niederzulegen - also zwei Tage vor dem geplanten Termin für die Veröffentlichung der Halbjahreszahlen. Zu diesem Zeitpunkt sollten nach bisheriger Planung des Vorstandes auch Details zu neuen Einsparungen genannt werden.
Bei der Lufthansa sind erste Finanzmittel aus der deutschen Staatshilfe eingetroffen. Gut eine Woche nach Zustimmung der Hauptversammlung zu dem Rettungspaket hat der MDAX-Konzern die erste Tranche von rund einer Milliarde Euro aus dem KfW-Kredit abgerufen, wie ein Sprecher am Samstag erklärte. Der Zeitpunkt zum Abruf der zwei weiteren Milliarden aus dem Kredit der staatlichen Bank stehe noch nicht fest und könne von der Lufthansa bestimmt werden.
Wirecard-Skandal
Eine Schlüsselfigur im milliardenschweren Bilanzskandal um den insolventen DAX-Konzern Wirecard ist wohl doch nicht über die Philippinen nach China gereist. Die Daten, die die Einreise und Ausreise des früheren Vorstands Jan Marsalek Ende Juni dokumentieren sollen, seien gefälscht, sagte der philippinische Justizminister Menardo Guevarra am Samstag. Dies habe eine Untersuchung der Aufnahmen von Überwachungskameras, Passagierlisten und anderem Material ergeben.
"Die Beamten der Einwanderungsbehörde, die diese fiktiven Einträge vorgenommen haben, wurden von ihren Aufgaben entbunden und müssen nun mit verwaltungsrechtlichen Stafen rechnen", sagte Guevarra weiter, ohne die genaue Zahl der Mitarbeiter zu nennen. Er habe weitere Ermittlungen in dem Fall angeordnet.
Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft auch wegen Untreue-Verdachts gegen den Ex-Vorstandschef Markus Braun und weitere Manager. Dabei geht es um den Vorwurf, dass dreistellige Millionensummen von Wirecard-Konten an Firmen in Asien und auf Mauritius flossen. (Mit Material von dpa-AFX)
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