Die Flugverbote für die Boeing-Mittelstreckenjets 737 MAX ziehen weite Kreise. Der weltgrößte Reisekonzern TUI muss seine bereits gekappten Gewinnprognosen erneut senken. Hintergrund: Um die Kunden weiter wie gewünscht an ihre Reiseziele zu bringen, muss der Konzern Ersatzflugzeuge mieten – und das kostet richtig Geld. Die Aktie gerät erneut unter Druck.
Die Sache ist verfahren: Bislang wurden keine Termine bekannt gegeben, wann Anpassungen von Boeing am aktuellen Flugzeugmodell 737 MAX erfolgen und wann mit einer Freigabe dieser Anpassungen durch die entsprechenden Behörden zu rechnen ist. Deshalb hat TUI für die Zeit bis Mitte Juli Vorkehrungen getroffen, um sich auf Ostern, Pfingsten und den Beginn der Sommerferienzeit vorzubereiten und den Urlaub für ihre Kunden und deren Familien zu sichern. Der Konzern nutzt dazu verfügbare Flugzeuge aus der eigenen Flotte, verlängert die Leasingverträge von Flugzeugen, die durch die 737 MAX ersetzt werden sollten und least zusätzliche Flugzeuge am Markt.
Das hat Konsequenzen: Unter der Annahme, dass Flüge mit der 737 MAX spätestens Mitte Juli wieder stattfinden können, erwartet der Konzern durch das Flugverbot derzeit einen Einmaleffekt auf das bereinigte EBITA1 von ungefähr 200 Millionen Euro. „Dieser Effekt ist insbesondere zurückzuführen auf Kosten für Ersatzflugzeuge, höhere Treibstoffkosten, Kosten im Zusammenhang mit Betriebsunterbrechungen sowie die erwarteten Auswirkungen auf das operative Geschäft“, heißt es aus der Konzernzentrale. Müssen die MAX-Jets auch nach Mitte Juli am Boden bleiben, kämen weitere 100 Millionen Euro an Kosten hinzu.
Im günstigeren Fall wird das bereinigte EBITDA1 von zuletzt knapp 1,2 Milliarden Euro im laufenden Geschäftsjahr um 17 Prozent sinken. Im schlechteren Fall wird es sogar um 26 Prozent einbrechen. Zur Erinnerung: TUI-Chef Fritz Joussen hatte seine Gewinnprognose bereits im Februar gekappt. Wegen des Trends zu Last-Minute-Buchungen und den Auswirkungen des Brexits sollte der operative Gewinn seither nur noch stagnieren. Zuvor hatte der Konzern noch eine Steigerung um zehn Prozent vor Währungseffekten in Aussicht gestellt.
Der faire Wert der TUI-Aktie dürfte sicherlich weit über dem aktuellen Kursniveau liegen. Nahezu egal, auf welche Kennziffern oder Methoden man sich bezieht, die TUI-Anteile sind derzeit enorm günstig bewertet. Nichtsdestotrotz ist dies keine Garantie dafür, dass es mit dem TUI-Kurs kurzfristig wieder nach oben geht. Da hilft derzeit auch die starke Dividende recht wenig. Die Marktteilnehmer sorgen sich einfach vor den sich allmählich wieder ändernden Reisegewohnheiten der Europäer sowie dem Brexit. Hinzu kommt das extrem angeschlagene Chartbild. Solange sich hier kein nachhaltiger Trendwechsel andeutet, bleiben Anleger vorerst weiter an der Seitenlinie.