Ein Kommentar von Alfred Maydorn: Und wieder einmal zeigt sich, dass ein Aktienkurs ein wirklich guter Indikator ist. Denn seit Monaten wollten die Papiere der drei großen deutschen Autobauer einfach nicht ins Laufen kommen und zählten zu den wenigen DAX-Werten mit einer negativen Entwicklung im eigentlich recht guten Börsenjahr 2017. Und dann wurden am Freitag vom Spiegel Kartellvorwürfe veröffentlicht und die Aktien von Volkswagen, Daimler und BMW sind in den freien Fall übergegangen. Die Kuraschläge belaufen sich seitdem auf jeweils rund fünf Prozent.
Ob das gerechtfertigt, überzogen oder sogar noch zu wenig ist, lässt sich schwer sagen. Auch wenn es viele versuchen, es ist derzeit noch nicht einmal ansatzweise abschätzbar, wer wie stark in den neuen Skandal verwickelt ist, welche Strafen drohen und – was sicherlich am wichtigsten ist – wie große letztlich der Image-Schaden für die drei Autokonzerne sein wird.
Ein Problem mehr
Aber eines kann man schon jetzt mit ziemlicher Gewissheit sagen: Es gibt viele Anleger, die keine Aktien von Unternehmen in ihrem Depot haben möchten, denen eventuell milliardenschwere Strafzahlungen drohen und ein Imageverlust, der noch weit teurer sein könnte. Und damit nicht genug, auch wenn der Schaden letztlich vielleicht gar nicht so hoch ausfällt, die neuen Vorwürfe fallen in eine Zeit, in der die Management-Etagen der drei Autobauer ohnehin schon mit der Bewältigung der Dieselkrise zu kämpfen haben und parallel dazu den Einstieg in die Elektromobilität schaffen müssen – und zwar schnell, wollen sie nicht den Anschluss verpassen. Jetzt haben sie mit den Kartellverdächtigungen ein weiteres Problem auf dem ohnehin schon prall gefüllten (Sorgen-)Tisch.
Doppelt schlimm
Statt sich voll den vielen neuen Herausforderungen der Zukunft zu stellen, muss jetzt viel Geld und vermutlich noch mehr Zeit in die Aufarbeitung der Fehler der Vergangenheit investiert werden. Doppelt schlimm dabei ist, dass die Tricksereien der Autobauer beim Dieselmotor vermutlich dazu geführt haben könnten, zu lange an dieser Technologie festzuhalten und zu spät den Trend hin zum Elektroantrieb zu erkennen. Wie heißt es so treffend im Volksmund: Jetzt haben sie den Salat.
Bleibt zu hoffen, dass Volkswagen und Co. diesen „Salat“ jetzt endlich auch einmal als solchen erkennen und nicht erneut versuchen, sich irgendwie durchzuwurschteln und dabei auf Schützenhilfe der Politik hoffen. Es ist höchste Zeit, endlich reinen Tisch zu machen, alle Karten auf den Tisch zu legen und zumindest damit zu beginnen, das schon jetzt massenhaft verlorene Vertrauen der Kunden – und auch der Aktionäre – zurückzugewinnen.
Kaufen? Halten? Nachkaufen?
Aber das wird lange dauern. Und so steht zu befürchten, dass selbst wenn die Autobauer jetzt endlich komplett die Hosen runter lassen, vor allem die Investoren auf längere Sicht einen großen Bogen um die Aktien von VW, Daimler und BMW machen werden. Klar, die Kurse der Aktien sind mittlerweile sehr attraktiv bewertet. Aber das waren sie zu Jahresbeginn auch schon. Und heute sind sie dann dennoch nochmals zehn oder mehr Prozent günstiger geworden.
Und jetzt? Halten? Verkaufen? Oder sogar Nachkaufen? Die Aktionäre von Volkswagen, Daimler und BMW Anleger sollten sich ganz einfach eine einzige Frage stellen: Würde ich heute noch einmal in eine der drei Aktien investieren, wenn ich sie nicht schon hätte. Und wenn die Antwort „Nein“ lautet, dann gibt es nur eine einzige Konsequenz.
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