Im Frühjahr sah es ganz gut aus bei der Commerzbank – zumindest was die Faktoren angeht, die die Führung in der Hand hat. Der erfahrene Banker Helmut Gottschalk wurde in der Hauptversammlung zum neuen Aufsichtsratschef gewählt und die Verträge mehrerer Vorstände verlängert. Zudem steht ein Plan über den Jobabbau. Aber nun gibt es offenbar ausgerechnet bei der Digitalisierung – dem Kernstück der Sanierung neben den Kosteneinsparungen – größere Probleme. Der Stuhl des verantwortlichen Vorstandes wackelt.
Bereits 2017 hatte die Commerzbank beschlossen, die Abwicklung von Wertpapiertransaktionen für Kunden aus Kostengründen auszulagern. Damit betreut wurde Jörg Hessenmüller, der bis 2016 bei der polnischen Tochter M-Bank als Vizechef fungierte. Seit 2018 verantwortet er im Mutterkonzern als Bereichsvorstand die Digitalisierung und die strategische Weiterentwicklung. In der Commerzbank eine wichtige Position, denn bereits vor dem zum Jahresanfang eingeläuteten Umbau befand sich der Konzern im Umbruch. Somit ist er auch für die Kooperation mit der HSBC zuständig, die für die Frankfurter die Wertpapierabwicklung übernehmen sollte. Laut Handelsblatt gibt es aber genau dort aktuell ernsthafte Probleme.
Zeitplan verscheibt sich um zwei Jahre
Vereinbarte wurde mit der HSBC ein Gemeinschaftsunternehmen zu gründen, an dem die Commerzbank nur einen Minderheitsanteil von 20 Prozent halten sollte. Auch durch die Integration der Tochter Comdirect hat sich der Zeitplan aber nun deutlich verschoben.
Anfang 2020 war ursprünglich als Starttermin gesetzt, bisher funktioniert die Abwicklung aber noch immer nicht vollständig über das neue Joint-Venture. Die HSBC erwartet nun bis mindestens Anfang des nächsten Jahres Verzögerungen. Commerzbank-Insider befürchten außerdem, dass nochmal mehrere Millionen Euro in die Hand genommen werden müssen, die eigentlich dringend für andere Projekte benötigt werden.
Was wird aus Hessenmüller?
Offenbar ist Hessenmüller nun in Ungnade gefallen, da er Probleme bei dem mit der HSBC initiierten Projekt erst nach seiner Vertragsverlängerung im Juni diesen Jahres konkret angesprochen haben soll. Aufsichtsratschef Helmut Gottschalk soll daher gewillt sein, sich von Hessenmüller zu trennen. Damit wäre aber wieder ein wichtiger Vorstandsposten vakant.
Unsicherheit vor Q2-Zahlen
Dabei sollten die Quartalszahlen, die am 4. August präsentiert werden, eigentlich durch die Beteiligung an dem US-Fintech Marqeta getrieben sein. Denn eine Commerzbank-Tochter hielt seit Jahren an dem kalifornischen Unternehmen, dass am 8. Juni sein IPO feierte, Anteile. Marqeta ist höher bewertet als die komplette Commerzbank und die Beteiligung sollte dem Institut laut Finanzchefin Bettina Orlopp „einen schönen Bewertungsgewinn“ bescheren. Negativ wirken sich nun aber auch Rückstellungen für Rückförderungen von Sparern nach dem BHG-Urteil vom April aus und potenziell geringere Erträge, da Gebührenerhöhungen nun schwieriger werden.
Die Kursentwicklung der Commerzbank bildet die aktuell wieder gestiegene Unsicherheit ab. Wichtig für die Aktie ist es, dass die Unterstützung um 5,55 Euro nicht dauerhaft gerissen wird. Ein Neueinstieg ist aufgrund des Chartbildes derzeit nicht angezeigt, die GD100 um 5,75 Euro ist wieder aus dem Fokus geraten. Investierte beachten den Stopp bei 4,80 Euro.
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren: Commerzbank.
Hinweis auf Interessenkonflikte gemäß § 85 WpHG: Aktien von Commerzbank befinden sich im Aktionär-Depot von DER AKTIONÄR.