Vier Milliarden Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern in nur drei Monaten. Das sind 43,9 Millionen Euro am Tag oder 30.525 Euro in der Minute. Dieter Zetsche hat aus Daimler in den letzten Jahren eine regelrechte Gewinnmaschine gemacht. Die Produkte sind hip und treffen den Geschmack der Verbraucher. Daimlers Gewinne sprudeln, die Verkaufszahlen steigen und das CAR-Institut geht sogar davon aus, dass die Anzahl der neu verkauften Autos von 80,1 Millionen im laufenden Jahr auf 89,1 Millionen Fahrzeuge im Jahr 2020 klettern wird. Alles paletti also in der Autobranche? Keineswegs. Die Entwicklung der Aktienkurse von BMW, Daimler und auch VW spricht nämlich eine ganz andere Sprache.
Die neue Welt der Autobauer
Die Papiere von Daimler und BMW fielen am 06. Juli auf ein neues 3-Jahres- Tief von 51,20 Euro beziehungsweise 63,38 Euro zurück. Wie passt das alles zusammen? Nun, die gesamte Autobranche steht vor einem radikalen Wandel, vor disruptiven Veränderungen. „Am Horizont werden die Umrisse einer neuen, anderen Automobilität immer deutlicher, die die bisherigen Geschäftsmodelle der Automobilindustrie ablösen könnte“, sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management. Der großartige Erfolg der Automobilindustrie basierte in den vergangenen 100 Jahren im Kern auf drei Erfolgsfaktoren: Der Verbrennungsmotor ist das Herzstück eines jeden Autos, der Kunde will sein Autos selbst steuern und jedes Auto braucht einen ausgebildeten Fahrer, um dieses auch selbst zu steuern. Genau diese drei Punkte werden immer mehr zum Auslaufmodell. Schnee von gestern sozusagen. Der Markt und seine Gesetze ändern sich. Radikal!
Neue Trends
Neue technologische Trends, zum Teil auch politisch gefördert wie zum Beispiel die Elektromobilität, aber auch die zunehmende Digitalisierung sowie das automatisierte Fahren setzen die Autobauer mächtig unter Druck. „Der Elektromotor könnte in den nächsten 20 Jahren den Verbrennungsmotor als dominante Antriebstechnologie ablösen“, sagt Bratzel. Darüber hinaus sind sich viele Experten sicher, dass der Höhepunkt des selbst steuernden „ Autofahrers“ erreicht ist. Bratzel geht sogar so weit und sieht das Autofahren mit den eigenen Händen am Steuer als reine Spaßveranstaltung an, die „künftig nur noch für das Wochenende gelten wird“. Klar kann man nun argumentieren bis es so weit ist, werden noch viele Jahre vergehen. Dennoch, die Börse blickt bekanntlich immer voraus und pickt sich genau diejenigen Unternehmen heraus, die für solche einen Wandel am besten aufgestellt sind: die gesamte Technologiebranche, von Google bis Microsoft, von Apple bis Uber, die Mobilität als einen Markt erkannt hat, auf dem sich viel Geld, sehr viel Geld verdienen lässt. Ein Vorreiter der Mobilität der Zukunft ist sicherlich Tesla. Mit seinen Elektroautos hat Unternehmenschef Elon Musk einen neuen Trend salonfähig gemacht. Der Look & Feel seiner Autos ist beeindruckend und trifft den Nerv der Zeit. Nur die Bewertung der Tesla- Aktie ist inzwischen mehr als sportlich und die Frage bleibt, ob es Tesla wirklich schaffen wird, seine Produktion so massiv auszubauen, dass pro Jahr 500.000 Autos vom Band laufen. Riesige Displays, Updates, die über Nacht automatisch geladen werden und den Kunden völlig neue Funktionen bieten. All dies muss auch bei den deutschen Herstellern wie bei Tesla zum Standard werden, wollen sie nicht dem Wandel der Mobilität zum Opfer fallen.
39 Milliarden Börsenwert sind futsch
Aktuell sind es für die Daimler-Aktie minus 38,8 Prozent seit dem Hoch von 96,07 Euro im März 2015. Rund 39 Milliarden Euro an Firmenwert wurden binnen 16 Monaten vernichtet. Des Weiteren hagelte es Abstufungen der Analysten. Wenn alle zum Verkauf trommeln, könnte ein guter Zeitpunkt gekommen sein, die Aktie einzusammeln oder zumindest einen Fuß in die Tür zu stellen. Das Ende des Ausverkaufs könnte mit der Bekanntgabe der Zahlen für das zweite Quartal erfolgt sein. Bislang hat Mercedes nur die B-Klasse und den Smart Fortwo Electric Drive als Stromer im Angebot. Das wird sich bald ändern. Daimler-Vorstand und Mercedes- Vertriebschef Ola Källenius sieht derzeit durch den Wandel in der Autobranche mehr Chancen als Herausforderungen. Daimler werde den Weg zu null Emissionen konsequent weitergehen und die Chancen, die sich aus dem Wandel des Mobilitätsbedarfs ergeben, nutzen. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werde sich in der Branche mehr verändern als in den vergangenen fünfzig Jahren. Schon im Oktober, auf dem Autosalon in Paris, will Daimler seinen Tesla-Jäger vorstellen. Voraussichtlich 2018 wird Daimler sein erstes langstreckentaugliches Elektroauto in die Verkaufsstores bringen. DER AKTIONÄR ist davon überzeugt, dass Daimler den Wandel hin zum Mobilitätskonzern der Zukunft meistern wird. Am Geld sollte es nicht liegen. 13 Milliarden Euro Gewinn vor Zinsen u n d Steuern hat der Autobauer 2015 eingefahren, viel weniger wird es auch 2016 und 2017 nicht werden. Von derartigen liquiden Mitteln kann Tesla nur träumen. In Ausgabe 27/2016 hat DER AKTIONÄR bei Daimler zwei Abstauberlimits bei 52,75 Euro sowie 50,80 Euro empfohlen. Mit dem ersten ist der Anleger zum Zug gekommen. Mittlerweile hat sich das Papier auf 58,80 Euro erholt. Entwarnung? Vorerst zumindest.
i3 und i8- und jetzt?
BMW hat frühzeitig den Trend hin zur Elektromobilität erkannt, hat mit dem i8 und dem i3 Ausrufezeichen gesetzt. Dann aber diese Strategie nicht konsequent weiterverfolgt. Vor wenigen Tagen gab Vorstand Harald Krüger eine Kooperation mit dem israelischen Tech- Konzern Mobileye sowie dem US-Chip- Riesen Intel bekannt. Zusammen wird man ein selbstfahrendes Auto entwickeln. Endlich! Das fertige Produkt wird zwar nicht vor 2021 zu kaufen sein, dennoch, BMW geht den richtigen Weg. Was VW betrifft, so bleibt DER AKTIONÄR bei seiner Einschätzung aus Ausgabe 26/2016. Bezüglich des Abgas-Skandals sollte das Schlimmste eingepreist sein. Unter Vorstand Matthias Müller hat sich in den letzten Monaten bei VW so viel geändert, wie in den letzten 20 Jahren nicht. Die „Strategie 2025“ verspricht Spannung.
BMW, BYD oder Daimler?
Die Aktien von Daimler und BMW stehen jetzt kurz davor, ihre Abwärtstrends zu verlassen und nach oben auszubrechen. Wer durch das Abstauberlimit aus Ausgabe 27/2016 bei Daimler zum Zug kam, bleibt investiert und sichert seine Gewinne mit einem Stopp auf Einstandsniveau ab. Auf dem aktuellen Niveau ist sowohl bei Daimler als auch bei BMW eine Anfangsposition durchaus vertretbar. Der Stoppkurs sollte zehn bis 15 Prozent unter dem Einstand gesetzt werden. Wird der Ausbruch aus den Abwärtstrends und ein neuer Aufwärtstrend etabliert, wird die Position prozyklisch ausgebaut. Auf lange Sicht sollte sich als Depotbeimischung eine Investition in Chinas Elektroautobauer BYD auszahlen. Die Firma ist sicherlich ein Exot. Das Wachstum ist jedoch sportlich und die Prognosen für die nächsten Jahre sind klasse!