Die Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation stufte Glyphosat seinerzeit als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Im Gegensatz hierzu sehen die Zulassungsbehörden etwa in den USA, Kanada oder der Europäischen Union kein Krebsrisiko durch das Pestizid. Die Ämter bestreiten zum Beispiel, dass der Wirkstoff das Erbgut verändere und so Tumoren verursache. Der US-Agrarökonom Charles Benbrook hat nun versucht zu ergründen, welche der beiden Parteien recht hat.
IARC und EPA kommen zu konträren Ergebnissen
Benbrook fand es besonders merkwürdig, dass die US-Umweltbehörde EPA bei der Glyphosat-Bewertung zu einem völlig konträren Ergebnis kam wie die IARC. Sein ernüchterndes Fazit in der Fachzeitschrift Environmental Sciences Europe: Das Urteil der EPA, dass Glyphosat nicht das Erbgut verändere, basiere vor allem auf Studien, die von der Insdustrie in Auftrag gegeben werden und nicht veröffentlicht worden seien. „99 Prozent von ihnen waren negativ, während die IARC sich überwiegend auf wissenschaftlich evaluierte Studien bezog, die zu 70 Prozent positiv waren“.
Behörden greifen auf Industriestudien zurück
Zudem hat die EPA gemäß der Aussage von Benbrook größtenteils Studien zum Wirkstoff Glyphosat zitiert, während die IARC umfassend Ergebnisse über die tatsächlich benutzten Pestizidprodukte berücksichtigte, die neben der Substanz auch andere Chemikalien enthalten. Schließlich habe sich die Behörde auf die in Lebensmitteln üblichen Dosen konzentriert.
Benbrook zufolge ließ die EPA außer Betracht, dass Anwender des Pestizids viel höheren Konzentrationen ausgesetzt sein könnten. Die Kläger in den USA sind aber zum Beispiel Landwirte oder Heimgärtner. Regulierungsbehörden etwa in der EU und Kanada kämen „im Wesentlichen aus den gleichen Gründen“ zum gleichen Ergebnis wie die EPA, so Benbrook. Sie würden im Großen und Ganzen dieselben Studien der Industrie zitieren.
Gefährliches Minenfeld
Die Glyphosat-Thematik gleicht einem gefährlichen Minenfeld und bleibt daher undurchschaubar. Es wird jedoch immer offensichtlicher, dass der Healthcare-Konzern durch die Monsanto-Übernahme viel angreifbarer geworden ist. Die große Gefahr für Bayer liegt daran, dass in naher Zukunft womöglich neue Studien veröffentlicht werden, welche ein Krebsrisiko von Glyphosat beweisen. Ein Kauf der Bayer-Aktie drängt sich daher nicht auf.