Amazon will mit dem Verleih von Videos einen neuen Geschäftsbereich aufbauen. Dafür investiert der Konzern Milliarden. Ob diese Strategie erfolgreich sein wird, ist jedoch noch völlig offen.
Wachstumsstrategien kosten viel Geld. Das weiß die Führung von Amazon und inzwischen wissen es auch die Aktionäre des Unternehmens. Diese mussten in den letzten 20 jahren damit leben, dass erzielte Gewinne stets reinvestiert und nicht ausgeschüttet wurden. Das führt zwar zu exponentiellem Wachstum beim Umsatz, aber nicht beim Gewinn. Als nächsten Wachstumsmarkt hat sich Amazon den Online-Videomarkt ausgesucht und will auch hier Marktführer werden. Eine schwierige Aufgabe, dominiert doch Netflix bisher unangefochten diesen Bereich.
Attraktiver Video-Markt
Die Lebensweisen der Verbraucher werden immer flexibler und damit verändern sich auch ihre Fernsehgewohnheiten. Immer mehr Zuschauer wollen ihre Lieblingsserien und Lieblingsfilme nicht zu einer vorher festgelegten Uhrzeit sehen, sondern wenn es ihnen zeitlich passt. Davon profitieren Firmen, die diese Konsumgewohnheiten ermöglichen. Zum Teil geschieht das durch Online-Bestellung und postalische Lieferung des gewünschten Films und zum Teil werden die Inhalte direkt gestreamt. Das hat den Vorteil, dass der Anbieter bei dieser Variante keine Portogebühren zahlen muss und theoretisch einen einzigen Film an eine unbegrenzte Kundenzahl gleichzeitig verleihen kann, weil keine physischen Kopien in Form von DVDs notwendig sind. Dass es Amazon ernst meint mit dem Einstieg in den Videoverleih, zeigt sich schon durch die Geldbeträge, die der Konzern investiert. Alleine im ersten Quartal hat Amazon 1,99 Milliarden Dollar ausgegeben, um Inhalte für die Online-Videothek zu kaufen. Im ersten Quartal des letzten Jahres waren es mit 1,38 Milliarden noch rund 600 Millionen Dollar weniger. Fährt Amazon in diesem Tempo fort, wird der Konzern im laufenden Jahr insgesamt über 8 Milliarden Dollar für Verleih-Inhalte ausgeben.
Rechnet sich das?
Ob sich die gigantischen Ausgaben rechnen werden, ist indes noch ungewiss. Laut einer Studie von Piper Jaffray ist bei Teenagern Amazon als Videoverleiher noch völlig unpopulär. Demnach planen lediglich sechs Prozent der befragten amerikanischen Teenager, Amazon als Hauptquelle beim Videoverleih in den nächsten fünf Jahren zu nutzen. Zum Vergleich: Netflix und Redbox schneiden hier mit 65 Prozent, respektive 14 Prozent ab.
Das Bezahlmodell
Amazon verlangt von seinen Prime-Nutzern eine jährliche Gebühr von 99 Dollar. Damit erhalten die Nutzer Zugang zu den gesamten Online-Video-Inhalten, zu prioritärem Versand bestellter Ware und zu Büchern, die sie sich über den Kindle kostenlos ausleihen dürfen. Amazon hat derzeit rund 20 Millionen Prime-Kunden. Der Marktführer Netflix verlangt ebenfalls 99 Dollar von seinen Kunden, darin enthalten sind jedoch keine zusätzlichen Dienste, die diesen Gewinn schmälern. Außerdem hat Netflix mit rund 40 Millionen Kunden doppelt so viele wie Amazon und gibt darüber hinaus viel weniger Geld für neue Inhalte aus. Netflix hat im ersten Quartal 869 Millionen Dollar für neue Inhalte ausgegeben. Das ist weniger als die Hälfte des Betrags, den Amazon ausgegeben hat.
Abwärtstrend beendet?
Die Aktie von Amazon wurde, zusammen mit etlichen anderen Momentum-Aktien, seit Anfang des Jahres regelrecht abgestraft. Zeitweise stand der Titel rund 30 Prozent unter dem Hoch vom letzten Dezember. Seit Mitte Mai zeigt das Papier nun erste Anzeichen einer Bodenbildung. Kürzlich konnte ein höheres Tief ausgebildet werden. Zusammen mit dem Überschreiten des Widerstands bei 223 Euro, hat sich damit das Chartbild wieder deutlich aufgehellt. Der nächste signifikante Widerstand liegt bei rund 240 Euro in Form der Abwärtstrendlinie. Um das Erholungsszenario nicht zu gefährden, soltle die Aktie nicht mehr unter die Marke von 211 Euro fallen.