Die Kfz-Versicherung steckt in einer tiefen Krise. Hohe Kosten und stagnierende Marktaussichten zwingen die Anbieter zu neuen Strategien. Während die Allianz bisher auf Kooperationen mit Partnerwerkstätten setzt, wagt Rivale HUK Coburg nun einen ganz anderen Schritt.
Deutschlands größter Kfz-Versicherer HUK Coburg hat die Übernahme der Auto-Werkstattkette Pitstop angekündigt. Sofern die Kartellbehörden zustimmen, will die oberfränkische Versicherung zum 2. Januar ihren bisherigen Anteil an Pitstop von 25,1 auf 84,9 Prozent aufstocken. Den Kaufpreis nannte die HUK nicht. Der bisherige Pitstop-Mehrheitseigner Stefan Kulas gibt seine Beteiligung ab, bleibt aber in der Geschäftsführung. Der Reifenhersteller Bridgestone bleibt Minderheitseigner mit gut 15 Prozent.
„Durch die Mehrheitsbeteiligung vollziehen wir konsequent den nächsten Schritt in der Ausrichtung der HUK-COBURG als Serviceanbieter rund um Mobilität“, sagte HUK-Vorstandschef Klaus-Jürgen Heitmann. Er beschrieb damit die seit einigen Jahren von der HUK verfolgte Strategie, das traditionelle Versicherungsgeschäft mit Geschäften und Dienstleistungen rund ums Auto auszubauen.
Mit knapp 14 Millionen versicherten Fahrzeugen ist die HUK der Marktführer auf dem deutschen Autoversicherungsmarkt, noch vor der Allianz. Üblich bei Kfz-Tarifen ist bisher die Werkstattbindung: Kunden lassen ihre Autos und Motorräder bei vom Versicherer festgelegten Werkstätten reparieren und zahlen dafür niedrigere Beiträge als bei freier Werkstattwahl. Bisher zählte Pitstop zu diesen Vertragswerkstätten der HUK. Die 1970 gegründete Werkstattkette ist nach Firmenangaben in gut 200 Städten vertreten.
Für Kfz-Versicherer sind die Werkstattkosten von großer Bedeutung, da teure Reparaturen die Summen in die Höhe treiben, die im Schadenfall an die Kundschaft ausgezahlt werden. Für die HUK würde die Übernahme einer Werkstattkette bedeuten, dass sie diesen Kostenfaktor leichter managen kann.
In den vergangenen zwei Jahren ist das gesamte Kfz-Geschäft der deutschen Versicherer ins Minus gerutscht. Hauptursache sind die steigenden Ersatzteilpreise, eine weitere der Anstieg der Werkstattkosten. Abgesehen davon ist Mehrheitsmeinung in der Versicherungsbranche, dass die Zahl der Autos in Deutschland künftig stagnieren oder sinken wird. Da insofern kein Wachstum des Kfz-Versicherungsmarkts mehr zu erwarten ist, suchen etliche Unternehmen nach neuen Umsatzquellen.
Die Allianz wählt bisher einen anderen Weg und kooperiert mit zertifizierten Partnerwerkstätten. Beteiligung rund um Kfz-Versicherungen sind aber auch den Münchnern nicht fremd. So hat Allianz X, die Einheit für Digital-Investments, in Vergangenheit etwa in die Gebrauchtwagen-Plattform heycar investiert und bietet dort Versicherungsprodukte an. Im Frühjahr 2024 ist die Allianz allerdings aus dem Unternehmen ausgestiegen.
Die Allianz dürfte den Schritt des Konkurrenten beobachten. Sollte sich die Strategie für die HUK auszahlen, könnte das auch für die Allianz ein möglicher Schritt sein, um die Marktposition sowie die Profitabilität in der Kfz-Versicherung zu steigern. Für Anleger spielt der Schritt des Konkurrenten aber vorerst keine große Rolle. Die Allianz-Aktie bleibt ein Top-Basisinvestment in der deutschen Börsenlandschaft.
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