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Wirecard AG: Brisanter Mail-Verkehr | EXKLUSIV

Wirecard AG: Brisanter Mail-Verkehr | EXKLUSIV
Foto: Börsenmedien AG
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17.03.2019 ‧ Leon Müller

Die Sachlage rund um die Wirecard AG wird immer verworrener. Dem Anlegermagazin DER AKTIONÄR liegen E-Mails vor, die eine gewisse Brisanz erkennen lassen. Sie dokumentieren Vorgänge innerhalb der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA). Die Behörden hatten vor vier Wochen Leerverkäufe in Aktien des DAX-Unternehmens untersagt und damit einen Präzedenzfall geschaffen. Das Verbot, das noch einen Monat Bestand hat, könnte nun stärker hinterfragt werden.

Freitag, 15. Februar 2018, 7.30 Uhr: Die Staatsanwaltschaft München erhält "ernstzunehmende Informationen, dass eine neue Short-Attacke geplant ist, und dass mit viel Geld versucht wird, Medienberichterstattung zu beeinflussen". Die Short-Attacke soll sich gegen die Wirecard AG richten, deren Aktie zu diesem Zeitpunkt schwer unter Beschuss steht. Sie hat infolge der Veröffentlichung mehrerer Artikel in der Financial Times zwischenzeitlich weit mehr als 40 Prozent ihres Wertes verloren. Die Information über bevorstehende, weitere "Short-Attacken", die der Staatsanwaltschaft nun vorliegt, stammt von der Wirecard AG selbst. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wird daraufhin von der Staatsanwaltschaft München informiert.

In einem Gesprächsvermerk hält ein Bearbeiter der Behörde handschriftlich fest: "Am heutigen Vormittag übermittelte die StA München per Fax die Information an die BaFin, dass die Wirecard AG zur Zahlung einer hohen Geldsumme aufgefordert worden sei, ansonsten würden sich weitere (Personen) Medien der negativen Berichterstattung, die seit dem 31.01.2019 erfolge, anschließen." Auffällig ist, dass die nachfolgende Formulierung von einer vorherigen Darstellung abweicht, in der Hildegard Bäumler-Hösl, Staatsanwältin in München, davon sprach, dass eine "Short-Attacke geplant ist". In dem Vermerk der BaFin heißt es stattdessen: "Die StA teilte mit, dass eine neue Short-Attacke bevorstehen könnte." Der Konjunktiv lässt Zweifel zu, auch wenn die Staatsanwaltschaft die Information gegenüber der BaFin als "glaubhaft" einschätzt. 

Mit Zugang der Information an die Behörde in Bonn beginnt die Vorbereitung und sogleich die Umsetzung eines bis dahin nie dagewesenen Erlasses: Keine 72 Stunden später wird die BaFin eine "Allgemeinverfügung" versenden, deren Inhalt ein Leerverkaufsverbot in Aktien der Wirecard AG vorsieht. Vom Augenblick der Veröffentlichung an wird es Marktteilnehmern nicht mehr möglich sein, auf fallende Kurse der Wirecard-Aktie zu setzen. Die Verfügung wird in ihrer Tragweite anschließend heftig diskutiert, und auch kritisiert werden. Denn: Mit ihrer Entscheidung hat die Bonner Behörde einen Präzedenzfall geschaffen. Nie zuvor hatte die Aufsichtsbehörde Leerverkäufe in nur einem einzelnen Titel untersagt. Lediglich während der Finanzkrise war das "Shorten" von mehreren Aktien von Unternehmen aus dem Finanzsektor verboten worden.

Um die Allgemeinverfügung vom 18. Februar 2019 in der Causa Wirecard zu rechtfertigen beziehungsweise zu begründen, setzt beginnend mit dem Anruf der Staatsanwaltschaft München bei der BaFin ein reger Mail-Verkehr zwischen verschiedenen Mitarbeitern der Behörde ein. Noch am selben Tag finden Gespräche mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) statt. Die europäische Aufsichtsbehörde wird von Beginn an in den Prozess eingebunden. Ziel: Das Leerverkaufs-Verbot soll Europaweit gelten. Wie eng die Zusammenarbeit der Behörden bereits zu diesem Zeitpunkt ist, zeigt eine Notiz vom selben Tag. Auf die Zusendung eines ersten Entwurfs hin, der später dem Board of Supervisors zur Abstimmung vorgelegt werden soll, bittet die ESMA die BaFin "zusätzliche Informationen zu Unternehmen etc. zu ergänzen". Die Ergänzungen werden bis Samstagabend eingefügt, der neue Stand schließlich an die ESMA geschickt. Am Ende stimmen 14 Mitglieder des 28-Köpfigen ESMA-Gremiums dem Vorgehen der BaFin zu. Eine einfache Mehrheit ist zur Annahme erforderlich. Sie kam zustande, obwohl 14 Mitglieder und damit die Hälfte des Gremiums nicht antworteten. In einer E-Mail des ESMA von Sonntagabend (17.2.) heißt es: "We received express approval of Opinion from 14 Members, while the remaining Members of the Board approved the Opinion by applying silence as approval." Schweigen wurde als Zustimmung gewertet.

Ergänzungen sind nicht die einzigen Änderungen. Von Entwurf zu Entwurf werden auch Streichungen und inhaltliche Anpassungen vorgenommen. So wurde aus der "fairen Preisbildung" die "angemessene Preisbildung", aus der "gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Unternehmens" nur noch die "wirtschaftliche Bedeutung des Unternehmens". Ersatzlos gestrichen indes wurde der Hinweis auf die Gefahr "bevorstehender weiterer Short Attacken". Im ersten Entwurf enthielt die Allgemeinverfügung noch folgenden Absatz unter dem Punkt Sachverhalt:

"Aktuell liegen der BaFin deutliche Hinweise darauf vor, dass die Gefahr unmittelbar bevorstehender weiterer Short Attacke bevorsteht. Vor diesem Hintergrund gibt es Hinweise, dass weitere negative Berichte insbesondere branchenrelevanter Medien zu einem gleichlaufenden Vorgehen gegen die Wirecard AG veranlassen werden."

In der finalen Fassung hat die BaFin auf diese Formulierung verzichtet. Hat sich die Aufsichtsbehörde hier dem Wunsch der Staatsanwaltschaft München gebeugt, die gemäß Gesprächsvermerk ausdrücklich darum gebeten hatte? In der Notiz ist vermerkt, dass die Staatsanwaltschaft "ausdrücklich auf die Vertraulichkeit dieser Informationen und dass diese Informationen nicht seitens der BaFin weitergegeben werden dürfen!" verwiesen hat. Die Vermutung liegt nahe, dass man den Passus ausklammern wollte, um Nachfragen aus dem Weg zu gehen, dass man über bevorstehende weitere Attacken vom betroffenen Unternehmen selbst unterrichtet wurde. Möglicherweise aber hat die BaFin diesem Umstand einfach nicht die gleiche Bedeutung beigemessen wie anderen Aspekten, etwa der stark gestiegenen Höhe der Netto-Leerverkaufspositionen oder der Tatsache, dass Wirecard bereits in der Vergangenheit mehrfach von Leerverkäufern ins Visier genommen wurde.

Fragen bleiben dennoch offen. In der nachfolgenden Berichterstattung hieß, dass nicht nur die Wirecard AG erpresst werden sollte, sondern auch Pressevertretern Schmiergelder angeboten worden sein sollen, die Veröffentlichungen mit entsprechend negativem Tenor zum Unternehmen erwirken sollten. Bis heute hat kein Medium einen entsprechenden Versuch der Einflussnahme von außen publik gemacht, geschweige denn angezeigt.

Dieser Umstand, die Löschung des entsprechenden Absatzes aus dem ursprünglichen Entwurf der Allgemeinverfügung, bergen eine gewisse Brisanz in sich. Die BaFin wurde nach Versenden der Allgemeinverfügung von verschiedenen Seiten heftig kritisiert. Bekannte Leerverkäufer mit entsprechenden Engagements im betroffenen Wertpapier, darunter der Londoner Crispin Odey, kündigten an, sich gegen die Verfügung zur Wehr setzen zu wollen. Die Frist für Widersprüche gegen die Verfügung läuft in diesen Tagen ab. Die Behörde hat Marktteilnehmern hierfür wie üblich eine Frist von einem Monat ab Bekanntwerden der Verfügung eingeräumt.

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Ein Beitrag von Leon Müller, Chief Editor Börsen.Briefing. – dem täglichen Newsletter des Anlegermagazins DER AKTIONÄR (registrieren Sie sich kostenfrei unter www.boersenbriefing.de)

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The @Wirecard CEO @_MarkusBraun considers everything just NOISE.

The silence is deafening on those emails and in-voices (*see what I did there). Any news on How and where Edo Kurniawan is? #wheresEdo #accountingscandal https://t.co/hm7ay8tgxv

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If anyone has seen Edo Kurniawan of @Wirecard give him my contact details or take a photo, I'm concerned for his safety. Last reported sighting was Dubai .#wheresEdo Source: https://t.co/MmTh3bPGT1 pic.twitter.com/AAb7qmx7oj

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