Während andere Unternehmen den schwelenden Handelsstreit zwischen den USA und China fürchten und die traditionelle Medienbranche mit milliardenschweren Übernahmen ums Überleben kämpft, marschiert die Netflix-Aktie munter von Rekord zur Rekord. Bullishe Analystenkommentare hab dabei in dieser Woche zusätzlichen Rückenwind geliefert.
Zu Wochenbeginn hatte Daniel Ives vom Analysehaus GBH Insights den fairen Wert für die Netflix-Aktie von 400 auf 500 Dollar angehoben – und damit das höchste Kursziel von allen 43 Analysten ausgegeben, die laut Bloomberg die Aktie verfolgen. Zur Begründung verwies er unter anderem auf den großen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz und die starke Marke, zu der sich Netflix inzwischen entwickelt hat.
Bei einer Umfrage seines Instituts sei nicht nur herausgekommen, dass Netflix-Abonnenten mit zehn Stunden pro Woche knapp doppelt so viel streamen, wie die Abonnenten von Konkurrenz-Angeboten wie Amazon Prime und Hulu – rund 90 Prozent der Befragten seien auch bereit, mehr als bisher für ihr Netflix-Abo zu bezahlen, so Ives. Wachstumspotenzial sieht er darüber hinaus auf mittlere Sicht vor allem im internationalen Geschäft, wo das Unternehmen zuletzt deutlich aufgerüstet habe. All das werde sich positiv auf die Profitabilität auswirken.
Nachdem die Aktie daraufhin erstmals die Marke von 400 Dollar überwunden hatte, hat am Donnerstag auch Analyst Jeffrey Wlodarczak von Pivotal Research auf 500 Dollar angehoben. Auch im saisonal meist schwächeren zweiten Quartal rechne er mit einem soliden Ergebnis und einem optimistischen Q3-Ausblick. Zudem verwies er auf den positiven Kreislauf aus höheren Content-Ausgaben, wachsen Abonnentenzahlen und steigenden Einnahmen, den Netflix seit Jahren erfolgreich am laufen hält.
Auch Goldman sieht noch Luft nach oben
Goldman Sachs („Buy“) hatte sich in der Vorwoche nicht ganz so weit aus dem Fenster lehnen wollen und das Kursziel „nur“ auf 490 Dollar angehoben. Analyst Heath Terry rechnet damit, dass der Dienst die Zahl seine Abonnenten dank neuer Vertriebspartnerschaften und der mutigen Content-Strategie stärker steigern wird, als bisher von der Wall Street erwartet. Folglich werde das Umsatzwachstum schon bald schneller wachsen als die Ausgaben für Inhalte. Bis zum Jahr 2022 erwartet der Analyst einen positiven Cash-Flow in Höhe von 500 Millionen Dollar.
Bis es soweit ist, werde Netflix aber weiterhin Cash verbrennen. Der Höhepunkt werde dabei aber bereits im laufenden Jahr mit einem negativen Free Cash-Flow in Höhe von 3,06 Milliarden Dollar erreicht, so der Goldman-Analyst. Weiterhin hohe Content-Ausgaben seien notwendig, um den Vorsprung um potenzielle Herausforderer innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre weiter auszubauen.
Handelskrieg nur vom Sofa aus
Die Angst vor einem eskalierenden Handelskrieg zwischen den USA und China, welche die Aktienmärkte in dieser Woche auf eine Achterbahnfahrt geschickt hat, betrifft Netflix nur indirekt. Das bevölkerungsreichste Land der Erde ist wegen seiner strengen Regularien für Medien bis heute einer der wenigen weißen Flecken auf der Landkarte des Streaming-Diensts. Wer hätte gedacht, dass es für Netflix einmal ein Vorteil sein könnte, in China außen vor zu sein?
Gewinne laufen lassen!
Trotz eines kleineren Rücksetzers vom bisherigen Allzeithoch bei 423 Dollar/368 Euro hat sich die Aktie von Netflix seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt. Zwar besteht nach solch einer Performance immer ein gewisses Risiko für Gewinnmitnahmen – die relative Stärke gegenüber dem durchwachsenen US-Markt in dieser Woche und die überzeugenden Zukunftsaussichten sprechen jedoch weiterhin für die Aktie. Investierte Anleger lassen die Gewinne laufen und ziehen gegebenenfalls den Stopp nach.