VENLO (dpa-AFX) - Nach der geplatzten Übernahme durch den US-Technologiekonzern Thermo Fisher Scientific
Qiagen-Mitgründer Detlev Riesner hatte Björklund, der erst seit gut zwei Jahren an der Aufsichtsratsspitze stand, nach der geplatzten Übernahme den Rücktritt nachgelegt. "2019 war das Angebot von Thermo Fisher noch annehmbar, doch die Wertsteigerung durch die zusätzlichen Leistungen in der Corona-Krise wurde nicht ausreichend berücksichtigt", sagte er vor wenigen Tagen der "Rheinischen Post". Der Aufsichtsrat habe mit den US-Amerikanern nicht gut nachverhandelt.
Riesner hatte sich zudem erleichtert gezeigt, dass Qiagen eigenständig bleibt. "Da haben wir mal ein deutsches Start-up, das Weltspitze ist und dann wird es gleich in die USA verkauft - dieses Schicksal bleibt Qiagen nun erspart."
Eine Führungskrise im Aufsichtsrat konnte Qiagen vermeiden. So wurde der frühere Post-Manager Lawrence "Larry" Rosen an seine Spitze gewählt hat. Der 62-jährige US-Amerikaner gehört dem Aufsichtsrat schon seit 2013 an. Damals war er noch Finanzvorstand der Deutschen Post
Der Aufsichtsrat stehe uneingeschränkt hinter der Wachstumsstrategie von Qiagen und deren Ausrichtung auf eine größere Wertschöpfung, sagte Rosen nun. "Wir sehen dabei einer langfristigen Zusammenarbeit mit den Vorstandsmitgliedern entgegen." Die Beiträge von Qiagen zum Gemeinwohl seien mit Blick auf die Coronavirus-Pandemie noch nie so bedeutsam gewesen wie heute.
Die Suche nach einem neuen Vorstandschef hatte Qiagen angesichts der Corona-Krise und des im Frühjahr noch laufenden Übernahmeangebots von Thermo Fisher Ende März eingestellt. Statt extern nach einem neuen Chef zu suchen, machte das Unternehmen seinen bisherigen Übergangschef Thierry Bernard zum dauerhaften Kopf des Vorstands. Björklund hatte bei dieser Gelegenheit auch hervorgehoben, dass Bernard "maßgeblich" an dem Deal mit Thermo Fisher beteiligt gewesen sei.
Bernard war im vergangenen Oktober eigentlich nur als Übergangslösung an die Spitze der im MDax
Die milliardenschwere Übernahmeofferte von Thermo Fisher platzte dann aber am 10. August. Nur Anteilseigner mit rund 47 Prozent des ausstehenden Qiagen-Aktienkapitals hatten das Angebot angenommen. Qiagen musste daher eine vereinbarte Vertragsstrafe von 95 Millionen Dollar an Thermo Fisher zahlen.
Vorausgegangen war ein monatelanges Ringen um die Gunst der Aktionäre. Die hofften womöglich auf Besseres, nachdem Qiagen dank seiner Corona-Tests plötzlich zu den Gewinnern der Pandemie zählte und gute Quartalsergebnisse auswies.
Damit stieg der Druck auf die Amerikaner, das Angebot zu erhöhen. Doch obwohl Thermo Fisher im Juli dann tatsächlich den Deal mit einer von 39 auf 43 Euro je Aktie aufgestockten Offerte versüßte und die Annahmeschwelle von 75 auf 66,67 Prozent der Qiagen-Anteile senkte, blieben die Anleger gespalten.
In direkte Opposition zu Thermo Fisher ging Großaktionär Davidson Kempner. Der Hedgefonds hatte noch Anfang August seinen Anteil an Qiagen von 7,3 auf 8 Prozent aufgestockt und dabei den sowohl kurz- als auch langfristig attraktiven Wert des Unternehmens hervorgehoben, wenn es auf sich allein gestellt bleibe.
Auch Branchenkenner reagierten positiv: Während durch die Corona-Krise die Bewertungen im Biotech-Sektor gestiegen seien, wurde Qiagens Aktienkurs nach Einschätzung von Jefferies-Analyst Peter Welford durch das Kaufangebot gebremst. Die Aktie hat vom Kurs zu Jahresbeginn bei rund 30 Euro um rund ein Drittel auf zuletzt mehr als 44 Euro zugelegt.
Denn bei dem Anbieter von Diagnostiktests und Laborgeräten, der vor einigen Monaten noch mit Problemen in wichtigen Geschäftsfeldern kämpfte, ist die Ausgangslage inzwischen eine andere. Im zweiten Quartal hatte sich der operative Gewinn des Unternehmens mit operativem Sitz im nordrhein-westfälischen Hilden und Holding im niederländischen Venlo dank der starken Nachfrage nach den Corona-Tests verdoppelt./stw/he/eas/mis
Quelle: dpa-AFX