(Neu: mehr Details zum Deal mit DSM und Advent im 5. und 6. Absatz, Kurs ins Plus gedreht.)
KÖLN (dpa-AFX) - Nach deutlichen Zuwächsen im zweiten Quartal sieht sich der Chemiekonzern Lanxess
Zachert peilt im laufenden Jahr einen bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 0,9 bis 1,0 Milliarden Euro an, nachdem bislang nur von einem deutlichen Wachstum die Rede gewesen war. Vergleichsbasis sind die im vergangenen Jahr erzielten rund 800 Millionen Euro, bei denen 210 Millionen Euro des Geschäfts mit Hochleistungskunststoffen für die Auto- und Elektroindustrie ausgeklammert sind. Dieses Geschäft wird in ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Beteiligungsgesellschaft Advent eingebracht, teilte das Unternehmen am Donnerstag in Köln mit.
Im zweiten Quartal steigerte Lanxess den Umsatz im Jahresvergleich um gut 36 Prozent auf knapp 2 Milliarden Euro. Als operativer Gewinn vor Sondereffekten blieben davon mit 253 Millionen Euro 14,5 Prozent mehr als vor einem Jahr. Analysten hatten weniger erwartet. Unter dem Strich verdiente Lanxess mit 93 Millionen Euro sieben Prozent weniger als vor einem Jahr. Das lag an einem Ergebnisrückgang im nicht fortgeführten Geschäft.
Starken Rückenwind lieferte das von Emerald übernommene Geschäft rund um Desinfektions- und Konservierungsmittel in der Sparte Consumer Protection. Emerald bietet Produkte für Aroma- und Duftstoffe, Konservierungsmittel für Lebensmittel sowie für Reinigungs- und Kosmetikprodukte an. Die Übernahme im letzten Jahr ist Teil des Konzernumbaus hin zur profitableren Spezialchemie. Hier schloss Lanxess erst jüngst den Kauf des Microbial-Control-Geschäfts vom US-Duftstoff- und Aromenhersteller IFF ab.
Zudem treibt Zachert den Umbau mit dem perspektivischen Ausstieg aus dem Geschäft mit Hochleistungskunststoffen für die Auto- und Elektroindustrie voran. Wie im Juni angekündigt soll der Bereich in ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Beteiligungsgesellschaft Advent eingebracht werden, das im gleichen Zuge in einem Milliardendeal das Kunststoffgeschäft Engineering Materials des niederländischen Konzerns Royal DSM
An dem neuen Gemeinschaftsunternehmen soll Advent mindestens 60 Prozent halten. Lanxess soll im Gegenzug eine erste Zahlung von mindestens 1,1 Milliarden Euro sowie einen Anteil von bis zu 40 Prozent erhalten. Der Vollzug wird in der ersten Jahreshälfte 2023 erwartet. Mit dem Geld will Zachert Schulden tilgen. Auch ein Aktienrückkaufprogramm ist angedacht. Nach frühestens drei Jahren kann Lanxess dann den 40-Prozent-Anteil am neuen Gemeinschaftsunternehmen versilbern und an Advent weiterreichen - und das in Relation zum Gewinn zur gleichen Bewertung wie beim aktuellen Deal.
Durch den Schritt wird der Konzern noch aus drei Spezialchemie-Segmenten bestehen. Den größten operativen Gewinnanteil mit 40 Prozent soll künftig die Sparte Consumer Protection rund um Materialschutz- und Konservierungsmittel liefern. Das Geschäft mit Basis- und Feinchemikalien für die Industrie (Sparte Advanced Intermediates) sowie mit Spezialzusätzen etwa für Reifenkautschuk, Kunststoffe und Schmierstoffe (Specialty Additives) sollen dann je rund 30 Prozent des operativen Gewinns erzielen.
Während die Bereiche Consumer Protection und Special Additives den bereinigten operativen Gewinn im zweiten Quartal steigern konnten, fiel dieser im Segment Advanced Intermediates trotz eines - dank Preissteigerungen - höheren Umsatzes. In dem Bereich können die gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten weiterhin zum Teil erst zeitlich versetzt an Kunden weitergegeben werden. Hinzu kamen höhere Frachtkosten.
Analysten zeigen sich insgesamt zufrieden mit der Entwicklung. Und auch der Jahresausblick liege weitgehend im Rahmen der Erwartungen, erklärte Experte Chetan Udeshi von der Bank JPMorgan.
Zudem monierte Udeshi ein klein wenig den operativen freien Mittelzufluss. Mit 150 Millionen Euro war der nun zwar wieder positiv, nachdem zum Jahresstart noch ein hoher Mittelabfluss im Tagesgeschäft verbucht werden musste. Allerdings profitierte das Unternehmen dabei auch deutlich von dem Verkauf von Forderungen, dem sogenannten Factoring, sowie der Erstattung von Steuervorauszahlungen. Beides glich einen Anstieg des Betriebskapitals im Zuge gestiegener Rohstoffkosten aus.
Die Aktien fielen am Donnerstagvormittag zunächst deutlicher, erholten sich dann aber und drehten ins Plus. Am frühen Nachmittag stiegen sie um 1,4 Prozent auf 36,65 Euro. Für 2022 ergibt sich damit ein Minus von rund einem Drittel. Wie die gesamte Branche wurde auch der Lanxess-Kurs von Sorgen hinsichtlich der Weltwirtschaft sowie der Furcht vor einem Erdgasmangel in Europa nach unten gezogen./mis/mne/men
Quelle: dpa-AFX