Nach wie vor lässt eine echte Erholung bei Siemens Energy nach dem Kurssturz infolge der Gewinnwarnung Ende Juni auf sich warten. Nun gibt es neue Kritik am Management des Energietechnikkonzerns. Kern des Vorwurfs ist, dass Siemens Energy nach wie vor Geschäftsbeziehungen zum russischen Staatskonzern Rosatom unterhält.
In der Atomindustrie gibt es von der Europäischen Union anders als bei Öl, Gas und Kohle keine Handelsbeschränkungen. Laut einem neuen Greenpeace-Bericht profitiert neben Framatome aus Frankreich vor allem Siemens Energy davon. Kritikpunkt: Wichtigster Geschäftspartner ist ausgerechnet Rosatom, das neben dem zivilen Betrieb auch den militärischen Bereich der russischen Kernkraft verantwortet.
Siemens Energy selbst wehrt sich gegen die Vorwürfe und verweist darauf, dass es kein Neugeschäft mehr gebe. Lediglich bestehende Verträge würden eingehalten. Pressesprecher Tim Proll-Gerwe verwies auf Twitter zudem darauf, dass keine heiße Kerntechnik, sondern lediglich Sicherheits- und Leittechnik geliefert werde. Zudem komme diese nicht in Kernkraftwerken in Russland, sondern etwa im ungarischen Paks zum Einsatz.
Let's talk about facts: @Siemens_Energy I&C is not installed in Russian nuclear power plants, our staff does not work for Rosatom in Russia and we don't have "lucrative" contracts; sales in 2022 were in the single digit millions. In fact, our I&C keeps European power plants safe.
— Tim Proll-Gerwe (@tpgerwe) July 19, 2023
Klar ist aber auch: Gerade diese Leittechnik gilt als Gehirn der Kraftwerke, die Anlagen selbständig steuern und sogar Reaktoren abschalten können. Es gibt auch Befürchtungen, dass Rosatom – in Paks baut der Konzern derzeit zwei neue Reaktorblöcke – die Technik auch etwa beim Betrieb von U-Boot-Reaktoren verwenden könnte.
Ob sich an der Situation zeitnah etwas ändert, erscheint aber zumindest fraglich. Die Bundesregierung setzt sich zwar für Beschränkungen ein. Doch neben Ungarn blockiert vor allem Frankreich einen solchen Beschluss. Das Land setzt weiter stark auf Kernkraft und ist nach wie vor auf Uran-Lieferungen aus Russland angewiesen. Framatome pflegt zudem enge Beziehungen zu Rosatom.
Die Situation für Siemens Energy ist kompliziert. Ein weiterer Brandherd kommt allerdings zur Unzeit. Denn das Vertrauen der Anleger ist nach der Serie an Gewinnwarnungen ohnehin dahin. Die Aktie ist nach wie vor kein Kauf.