Der Windkraftanlagen-Hersteller Nordex baut im laufenden Jahr trotz Corona-Unsicherheiten auf seine vollen Auftragsbücher. "Unsere Kunden halten an ihren Projekten fest" sagte Konzernchef José Luis Blanco der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX am Dienstag anlässlich der Bilanzvorlage. An den Entscheidungen über die Investitionen habe sich nach ersten Erkenntnissen nichts geändert.
Tatsächlich schien der Bedarf an Windenergie vor allem in Europa und Nordamerika zuletzt hoch: Zum Start ins neue Jahr belief sich der Auftragsbestand allein bei den Turbinen auf fünfeinhalb Milliarden Euro, bei den Service-Leistungen waren es nochmal zweieinhalb Milliarden. Gerade erst hat das Unternehmen zudem einen Auftrag über 400 Megawatt Leistung aus Norwegen erhalten. Für den Windpark "Øyfjellet" soll Nordex bis zum Herbst nächsten Jahres insgesamt 72 Turbinen errichten. Danach sind die Hamburger zunächst 20 Jahre lang für die Wartung zuständig.
Immun gegen die Krise ist Nordex aber nicht. Risiken gebe es vor allem auf der Angebotsseite, sagte Firmenchef Luis Blanco. So habe es bereits Auswirkungen auf die Lieferkette in China gegeben, von wo Nordex unter anderem Rotorblätter für seine Windräder bezieht. Die Produktion werde dort aber langsam wieder hochgefahren, die meisten Mitarbeiter kehrten zur Arbeit zurück.
Mit dem Virus verlagere sich die Unsicherheit nun vermehrt auf Europa und Nordamerika und damit zum Teil auch auf die eigenen Produktionsstätten. Noch seien diese offen, sagte Luis Blanco. Vieles hänge aber von den Maßnahmen ab, die die Länder zur Eindämmung der Pandemie ergreifen. Auch die Ausbreitung der Krankheit selbst spielt eine Rolle. "Dürfen die Beschäftigten bei den Zulieferern arbeiten? Wie viele Mitarbeiter aus der eigenen Belegschaft sind infiziert? Wir müssen schnell auf die neuen Umstände reagieren", sagte der Nordex-Chef. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen knapp 7.000 Mitarbeiter.
Wegen der vielen offenen Fragen haben die Hamburger den weiteren Verlauf der Corona-Krise bei ihren Jahreszielen vorerst ausgeklammert. Für 2020 erwartet das Unternehmen einen Umsatz von 4,2 bis 4,8 Milliarden Euro sowie ein bereinigtes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 160 bis 240 Millionen Euro. Im besten Fall würde sich das operative Ergebnis damit fast verdoppeln und der Umsatz um gut 45 Prozent zulegen. Sollte es umfassendere Störungen durch die Pandemie geben, könne eine Anpassung der Prognose erforderlich sein, hieß es.
Die Windkraftbranche leidet seit einiger Zeit unter hohem Wettbewerb und entsprechendem Preisdruck. Nordex steckt deswegen zwar schon länger in den roten Zahlen. 2019 konnte das Unternehmen den Verlust aber von knapp 84 Millionen Euro im Vorjahr auf etwa 73 Millionen reduzieren. Der Umsatz kletterte um ein Drittel auf rund 3,3 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) legte um rund 22 Prozent auf knapp 124 Millionen Euro zu. Die entsprechende Marge sank um 0,3 Prozentpunkte auf 3,8 Prozent.
Die Aussagen von Nordex kommen am Markt bestens an. Die Aktie legt mehr als 35 Prozent zu. Die Auswirkungen des Coronavirus lassen sich aber weiter kaum abschätzen. Anleger sollten deshalb nicht in den Kurssprung hinein kaufen. Trotz der Gegenbewegung am Dienstag ist noch Vorsicht angesagt.
Mit Material von dpa-AFX