Von Joe Miller
Financial Times
Übersetzung: Laura Markus
E.on wird die Laufzeit seines Atomkraftwerks Isar 2 nicht verlängern. Das Unternehmen hat sich zu diesem Schritt entschlossen, obwohl sich Deutschland aktuell auf die Rationierung der Energieversorgung vorbereitet und unabhängiger von russischen Brennstoffen werden will.
„Die Kernenergie hat in Deutschland keine Zukunft, Punkt“, sagte der Vorstandsvorsitzende Leo Birnbaum. „Das Thema ist zu emotionsgeladen. Die Gesetzgebung und die öffentliche Meinung werden sich nicht ändern.“
E.on, das größte deutsche Energieunternehmen, betreibt in der Nähe von München eines der drei verbleibenden Atomkraftwerke des Landes. Isar 2 soll bis Ende des Jahres vom Netz gehen. Dies ist Teil des langfristigen Ausstiegs aus der Kernenergie, der nach der Katastrophe von Fukushima 2011 in Japan beschlossen wurde.
Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar zeigte sich anfangs ein Umdenken der Bundesregierung: So erklärte Robert Habeck, Wirtschaftsminister der Grünen, dass er einer Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke ideologisch nicht im Weg stehen werde.
Diese Option wurde jedoch recht schnell wieder verworfen, was E.on laut Birnbaum bereitwillig akzeptierte. Isar 2 könnte zwar „theoretisch“ auch nach diesem Jahr in Betrieb bleiben, aber „wir haben einen Gasnotstand und die kleine Erleichterung, die wir bei der Stromversorgung erreichen könnten, ändert daran nicht viel“, erklärte er.
„Wir haben sehr intensiv mit der Regierung diskutiert“, fügte er hinzu. „Die Entscheidung ist ein guter Kompromiss, den wir nachvollziehen können, und damit ist die Sache für uns erledigt.“
Die Bundesregierung versucht mit Hochdruck, alternative Energiequellen zu sichern, um langfristig unabhängiger von russischen Brennstoffen zu werden. Habeck hat kürzlich mit Katar Lieferverträge für Erdgas unterzeichnet. Ebenso mit den Vereinigten Arabischen Emiraten für grünen Wasserstoff.
Letzte Woche hat die Bundesregierung die erste Stufe eines Notfallplans eingeleitet, der im Falle einer Gasknappheit die Gasversorgung von Großunternehmen einschränken soll.
E.on bezieht seine Energie auf dem Großhandelsmarkt und hat keine direkten Verträge mit russischen Versorgern. Das Unternehmen warnt jedoch ebenso wie die deutsche Industrie vor einem Boykott des russischen Gases, mit dem Deutschland mehr als die Hälfte seines Jahresverbrauchs deckt.
Ein solcher Schritt würde die Lieferketten unterbrechen und die Konjunktur bremsen, „und zwar in einem Ausmaß, das meiner Meinung nach wesentlich gravierender ist als wir es bei der Coronakrise erlebt haben", so Birnbaum.
Selbst wenn kleine und mittelständische Unternehmen, die den Großteil der E.on-Kunden ausmachen, davon nicht betroffen wären, wären die Folgen für Großkonzerne wie den Chemieriesen BASF für die gesamte deutsche Wirtschaft „gefährlich“, fügte er hinzu.
Der Vorstandsvorsitzende erklärte auch, dass E.ons Privatkunden bisher nicht übermäßig gegen höhere Energiepreise protestiert hätten.
„Ich glaube, die Kunden akzeptieren es, da die Preise gestiegen sind und sie kaum reagiert haben“, sagte er.
„Sehr wenige Kunden haben aufgrund von Preiserhöhungen gewechselt“, sagte er weiter. „Sie wissen, dass es unvermeidlich ist, dass die Preise steigen. Wenn sich die Preise auf dem Großhandelsmarkt vervier- oder verzehnfachen, dann müssen sie eben erhöht werden. Die Leute verstehen das.“
Das Kernkraft-Aus in Deutschland wird somit nicht gekippt. Doch unabhängig davon ist E.on gut gerüstet für die neue Energiewelt. Die Aktie bleibt für konservative Anleger weiter interessant.
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