Die Anfangseuphorie am US-Aktienmarkt über erfreuliche Verbraucherpreise hat am Dienstag zunehmend Ernüchterung Platz gemacht. Der Leitindex Dow Jones Industrial rutschte kurzzeitig sogar ins Minus, nachdem er direkt zur Handelseröffnung mit 34.712 Punkten den höchsten Stand seit fast acht Monaten erreicht hatte. Zum Handelsende stand ein bescheidenes Plus von 0,30 Prozent auf 34.108,64 Punkte zu Buche.
Der marktbreite S&P 500 behauptete einen Kursanstieg von 0,73 Prozent auf 4.019,65 Punkte. Der technologielastige Auswahlindex Nasdaq 100 gewann letztlich 1,09 Prozent auf 11.834,21 Zähler. Er enthält etliche Titel, die besonders deutlich von der Hoffnung auf einen nachlassenden Druck durch steigende Zinsen profitieren.
Die weitere und überraschend deutliche Inflationsabschwächung wird an der allgemein erwarteten Leitzinsanhebung der US-Notenbank Fed an diesem Mittwoch allerdings kaum etwas ändern. Ein Ende des Zinszyklus sei noch nicht in Sicht, warnten die Experten der Landesbank Helaba vor zu hohen Erwartungen. Die Volkswirte der Commerzbank halten eine Anhebung um einen halben Prozentpunkt für "nahezu sicher" nach zuletzt vier Erhöhungen um jeweils 0,75 Punkte.
Für Dirk Chlench, Volkswirt bei der Landesbank Baden-Württemberg, ist nach den Inflationsdaten indes eine Anhebung um nur 0,25 Punkte "nun nicht mehr völlig ausgeschlossen." Und Ökonom Thomas Gitzel von der VP Bank rechnet damit, "dass die US-Inflationsraten in den kommenden Monaten weiter merklich nachgeben werden" und so "Druck von der Fed nehmen, weiter deutlich an der Zinsschraube zu drehen".
Vor allem beim Dow ist offenbar auch charttechnisch die Luft etwas raus. Dank der Erholungsrally zwischen Mitte Oktober und Ende November hatte sich das Börsenbarometer oberhalb wichtiger Trendlinien festgesetzt und sein Jahresminus bis auf unter fünf Prozent eingedämmt. Der Ausbruchsversuch aus der anschließenden Konsolidierungsphase scheint zunächst allerdings gescheitert, wie der Rückfall auf die 21-Tage-Durchschnittslinie als Gradmesser für die kurzfristige Entwicklung andeutet. Auch der S&P 500 und der Nasdaq 100, deren aktuelle Jahresbilanzen mit einem Minus von 16 beziehungsweise 27 Prozent deutlich trüber aussehen, stehen nur noch knapp oberhalb der 21-Tage-Linie.
Einige Unternehmensnachrichten stießen am Markt auf ein überwiegend positives Echo. Die Aktien von Moderna schnellten als Spitzenreiter im Nasdaq 100 letztlich um fast 20 Prozent auf 197,54 US-Dollar hoch und knackten zeitweise erstmals seit Mitte Januar die 200-Dollar-Marke. Das vor allem dank seines mRNA-Coronaimpfstoffs bekannt gewordene Biotech-Unternehmen und der Pharmariese Merck & Co teilten mit, laut einer Phase-II-Studie senke eine Kombination aus einem personalisierten mRNA-Krebsimpfstoff von Moderna und Mercks Tumor-Arzneistoff Pembrolizumab das Todes- und Wiedererkrankungsrisiko bei bestimmten Hautkrebspatienten in einem fortgeschrittenen Stadium erheblich im Vergleich zu einer Monotherapie mit Pembrolizumab.
Die Merck-Titel reagierten mit einem Plus von 1,8 Prozent etwas verhaltener auf die Nachricht. Derweil zogen die in New York gelisteten Anteilsscheine des Mainzer Moderna-Konkurrenten Biontech , der ebenfalls an mRNA-Krebsimpfstoffen forscht, um sieben Prozent an.
Beim Softwarekonzern Oracle konnten sich die Anleger nach Quartalszahlen nicht über einen dauerhaften Kursanstieg freuen: Am Ende verloren die jüngst gut gelaufenen Titel 0,9 Prozent. Dank florierender Cloud-Services laufen die Geschäfte beim SAP -Konkurrenten weiter rund. Er übertraf die Markterwartungen, einige Analysten hoben ihre Kursziele für die Aktie an.
Die Papiere des Flugzeugbauers Boeing bekamen durch einen Großauftrag nur kurz Aufwind und schlossen knapp ein halbes Prozent fester. Die Fluggesellschaft United Airlines bestellt 100 "Dreamliner". Zudem sicherte sich die Lufthansa -Partnerin aus den USA Kaufoptionen für weitere 100 Maschinen des Typs. Außerdem übt United eine Option zum Kauf von 44 Maschinen des Typs 737 Max aus, bestellt weitere 56 dieser Flugzeuge und sichert sich weitere 100 Optionen für den Jet. Erst nach Handelsbeginn veröffentlichte Auslieferungs- und Auftragszahlen für den November gaben den Boeing-Aktien keinen zusätzlichen Schub.
Deutliche Kursgewinne von 1,7 Prozent verbuchten indes die Papiere von Pfizer nach einer Kaufempfehlung von Goldman Sachs. Neue Produkte und die Forschungspipeline des Pharmakonzerns übertrumpften die Unsicherheiten hinsichtlich der weiteren Corona-Entwicklung, schrieb Analyst Chris Shibutani. Auch Trung Huynh von der Credit Suisse lobte das Pipeline-Potenzial.
Dagegen ging es für Tesla als Schlusslicht im Nasdaq 100 um gut vier Prozent auf 160,95 Dollar weiter bergab. Bei 160,91 Dollar markierte das Papier zwischenzeitlich den niedrigsten Kurs seit über zwei Jahren. Die Marktkapitalisierung des Elektroautobauers sank kurzzeitig sogar unter die Marke von 500 Milliarden Dollar. Zuletzt hatte das Unternehmen mit coronabedingten Produktionsproblemen in China und Sorgen mit Blick auf die Nachfrage zu kämpfen.
Der Euro behauptete sich im New Yorker Handel bei 1,0628 Dollar, nachdem er zuvor auf den höchsten Stand seit über einem halben Jahr geklettert war. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs noch auf 1,0545 Dollar festgesetzt.
US-Staatsanleihen dämmten ihre kräftigen Gewinne nach den Inflationsdaten etwas ein: Zuletzt notierte der Terminkontrakt für zehnjährige Anleihen (T-Note-Future) noch 0,80 Prozent im Plus bei 114,73 Punkten.