Während immer noch umstritten ist, ob es in den USA demnächst überhaupt zu einer Rezession kommen wird, steckt Deutschland bereits in der wirtschaftlichen Schrumpfung. Damit ist es aber nun auch schon wieder vorbei. Zumindest ein bisschen. Wirkliche Entwarnung mag Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Deutschland bei der Deutschen Bank, jedenfalls nicht geben.
Unter der Überschrift „Rezession vorbei oder doch nicht?“ kommentiert Schneider eine erste Schätzung des statistischen Bundesamts vom Freitag, wonach in Deutschland die Wirtschaft im zweiten Quartal stagniert. „Rein technisch“ sei die Rezession damit vorbei. Zumal nach einer Revision der Zahlen vom vierten Quartal (minus 0,4 Prozent) und ersten Quartal (minus 0,1 Prozent) der Rückgang beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht ganz so stark sei, wie zuvor geglaubt.
„Allerdings fehlen bei der Q2-BIP-Schnellschätzung noch wichtige harte Daten für Juni“, gibt Schneider zu bedenken. In den vergangenen beiden Quartalen habe der letzte Monat des Quartals negativ überrascht, was zu erheblichen Abwärtskorrekturen der Schnellschätzung geführt habe. Das könne wieder passieren. Schneider schreibt aber auch: „Wir vermuten allerdings, dass das Bundesamt bei den nötigen Schätzungen diesmal wohl konservativer war.“
Prognosen könnten sinken
Der Experte von der Deutschen Bank wird trotzdem nicht optimistisch. Angesichts der „schwachen Juli-Daten“ könne das BIP auch im zweiten Halbjahr weitgehend stagnieren. „In einem solchen Szenario könnte die jährliche BIP-Rate für 2023 auf minus 0,5 – oder gar darunter – sinken, verglichen mit unserer aktuellen Prognose von minus 0,3 Prozent, die dem Konsens entspricht.“ Eine Stagnation im zweiten Halbjahr würde darüber hinaus „die Prognosen für 2024 kräftig rupfen“. Die vorsichtige Prognose der Deutschen Bank von 0,5 Prozent BIP-Wachstum wäre dann wohl zu hoch, schreibt Schneider. Der Konsens, der derzeit bei 1 Prozent liegt, müsste deutlich sinken.
„Wir werden einer Rezession 2023 nicht entgehen können“, hatte Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing mit Blick auf Deutschland bereits im Oktober 2022 gesagt. Das sei aber erstmal kein „Drama“, denn „eine Rezession bedeutet nicht eine Depression“. Bislang lag er mit dieser Einschätzung richtig. Viel dürfte auch davon abhängen, wie es in den USA weitergeht, wo inzwischen viele Marktteilnehmer – wenn überhaupt – erst 2024 eine Rezession erwarten. Geht man nach der Entwicklung an den Börsen in den vergangenen Jahren, wären deutliche Rücksetzer gegebenenfalls eher Kaufchancen. Die seit mehreren Jahren von einigen Untergangspropheten angekündigte Finanzkrise lässt jedenfalls weiter auf sich warten.