In Deutschland breitet sich das Coronavirus trotz Gegenmaßnahmen weiter aus. Erste Stimmen werden laut, die die Strategie der Regierung in Frage stellen, vor allem verbunden mit der Frage, wie unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft zur Normalität zurückfinden können. Forscher aus Großbritannien haben jetzt eine Studie veröffentlicht, die offenlegt, was passieren könnte, wenn die Verantwortlichen falsche Entscheidungen treffen.
Während mehr und mehr Menschen weltweit in Quarantäne sitzen oder zumindest in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind, werden Stimmen lautet, die diese Strategie in Frage stellen. Ausgangssperren führen zu zunehmender Isolation, und werden sie noch verlängert wie zuletzt etwa in Italien und Spanien, treten andere, unabsehbare Probleme auf. Doch ist das Handeln der Regierungen wirklich alternativlos? Dieser Frage sind Forscher des Imperial College in London nachgegangen.
Keine Gegenmaßnahmen: 7 Milliarden Infizierte
Ohne Gegenmaßnahmen hätte die Coronavirus-Pandemie dem Imperial College in London zufolge in diesem Jahr bis zu 40 Millionen Menschen weltweit das Leben kosten können. Das geht aus einer Studie hervor, die am Donnerstagabend veröffentlicht wurde. Die Forscher spielten dabei in einem mathematischen Modell mehrere Szenarien durch. Im schlimmsten Fall hätten sich demnach sieben Milliarden Menschen, also beinahe die gesamte Menschheit, innerhalb dieses Jahres mit dem Erreger Sars-CoV-2 infiziert.

Entscheidend: Tests, Isolierung Infizierter und soziale Distanzierung
Daher fordern die Forscher weltweit frühe Maßnahmen zur Unterdrückung der Pandemie, wie sie in vielen Ländern bereits ergriffen wurden. Nur so sei eine Überforderung der Gesundheitssysteme zu verhindern. "Schnelle, entschiedene und kollektive Maßnahmen von allen Ländern sind notwendig, um die Folgen dieser Pandemie zu begrenzen", sagte Professorin Azra Ghani, eine der Autorinnen der Studie. Entscheidend seien Tests, die Isolierung Infizierter und soziale Distanzierung.
Um die Bedeutung dieser Maßnahmen deutlich zu machen, spielen die Forscher drei Szenarien durch. Würden alle Länder harte Maßnahmen zu einem Zeitpunkt ergreifen, bei dem es erst 0,2 Corona-Tote pro 100.000 Einwohnern gibt, könnten 95 Prozent der Todesfälle verhindert und 38,7 Millionen Menschenleben gerettet werden, heißt es in dem Bericht. Würden die Maßnahmen erst bei einer Zahl von 1,6 Toten pro 100.000 Einwohner eingeführt, sinke die Zahl der geretteten Leben jedoch auf 30 Millionen.
Geringere Maßnahmen, deutlich mehr Todesopfer
Mit schwächeren Maßnahmen wie einer Strategie zur Verlangsamung der Pandemie und Abschirmung der älteren Bevölkerung seien 20 Millionen Tote durch die Lungenkrankheit Covid-19 zu erwarten, hieß es in dem Bericht. Besonders hart dürfte es in diesem Szenario Länder mit niedrigem Durchschnittseinkommen treffen, dort rechnen die Experten damit, dass die maximale Auslastung der Gesundheitssysteme dann um ein 25-faches übertroffen werden könnte. Doch auch in reichen Ländern würden es sieben Mal mehr Patienten geben, als behandelt werden können.
Wirtschaftlicher Schaden ist enorm
Die Forscher warnen aber auch, dass die Maßnahmen zur Unterdrückung der Pandemie hohe wirtschaftliche und soziale Kosten haben wird, vor allem in Ländern mit niedrigen und mittleren Durchschnittseinkommen.
Der wirtschaftliche Schaden ist schon heute an den Aktienkursen abzulesen, ebenso wie an ersten Frühindikatoren aus der Wirtschaft. Ein massenhafter Anstieg der Arbeitslosenzahlen in den USA ist ebenfalls Ausdruck der tiefgreifenden ökonomischen Verwerfungen. Weltweit stellen Regierungen und Notenbanken Milliarden und Billionen zur Verfügung, um diese Folgen einzudämmen. Wie Anleger sich in dieser Krise bestmöglich positionieren, lesen Sie im neuen AKTIONÄR (14/2020), den Sie hier als digitales E-Paper direkt herunterladen können.
Mit Material von dpa-AFX