"Die Deutschen sind ein Volk von Sparbuchsparern!“ – an diesem Klischee hat sich in den letzten Jahren leider nicht allzu viel geändert. Während in anderen Ländern Millionen Menschen mit Aktiensparplänen vom Erfolg der Unternehmen profitieren und für das Alter vorsorgen, mäandern die Deutschen irgendwo im Nirgendwo zwischen demografisch todgeweihter gesetzlicher Rente und bürokratisch verkorksten Kopfgeburten wie Riester und Co.
Und dann: ein Lichtblick! Mit Friedrich Merz hebt seit Langem ein – zumindest potenziell – führender Politiker das Thema Aktien wieder auf die Agenda in Sachen Altersvorsorge und schlägt vor, Aktiensparen zu begünstigen. Ob seine Strategie schon der Weisheit letzter Schluss ist oder ob eine Wiedereinführung der Spekulationsfrist, wie sie FDP-Chef Lindner ins Spiel brachte, besser wäre – geschenkt. Aber ein Schritt in die richtige Richtung war auf jeden Fall getan!
Dumm nur, dass ich mit dieser Meinung offenbar recht alleine bin. Blitzschnell fanden sich zahlreiche „Experten“, die die Vorschläge genüsslich zerpflückten. Ein Highlight für mich: die Aussage, mit der Riester-Rente gäbe es so etwas doch schon. Ein Traum.
Aber richtig schön wurde es erst, als ich mir den Videokommentar eines meinungsstarken Chefredakteurs zu Gemüte führen durfte. Der Mann arbeitet für eine große, vor allem in Süddeutschland sehr verbreitete Zeitung und zeigte sich ehrlich entsetzt über das Ansinnen des Merz. Marie-Antoinette wurde bemüht, die in ihrer grenzenlosen Ignoranz für die Nöte der Armen und ihren Hunger nach Brot gern einmal mit „Dann sollen sie doch Kuchen essen!“ zitiert wird. Als „Mittelschicht-Förderungsprogramm“ wurde die Idee verdammt, da sozial Schwache sich keine Aktien leisten könnten. Und am Ende wurde die Lobbyismus-Keule geschwungen, da der gute Herr Merz ja Aufsichtsratsvorsitzender von Blackrock sei, einem gigantischen Vermögensverwalter.
Gestatten Sie mir ein paar Fragen: Was hat Blackrock davon, wenn sich jemand eine Aktie kauft? (Kleiner Tipp: nichts). Ist eine Idee, die vielen helfen könnte, schlecht, weil vielleicht nicht ausnahmslos alle durch sie gefördert werden? (Tipp: Nein. Für die Benachteiligten kann und muss man sich separat etwas einfallen lassen.) Und last, but not least: Wen hält der Kommentator, dessen Blatt über 60 Euro im Monat kostet, eigentlich für seine Zielgruppe? Ist Neid schüren mittlerweile so ein Selbstzweck, dass ich mich als Chefredakteur nicht mehr fragen muss, für wen ich schreibe? Ich bin als Verleger meinen Lesern verpflichtet – eine Botschaft, die offenbar noch nicht überall angekommen ist.
In diesem Sinne: Friedrich Merz for Bundeskanzler!