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Geheimdienste und Börse – die CIA als Investor

Geheimdienste und Börse – die CIA als Investor
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Lars Friedrich 08.09.2020 Lars Friedrich

Ein Geheimdienst als Start-up-Investor: Als Ende der Neunziger das Entstehen der großen Tech-Giganten die Vormachtstellung der staatlichen Schnüffler bedroht, gründet die CIA ein Unternehmen, das selbst in junge Firmen investiert. Eine von ihnen kommt demnächst an die Börse.

In-Q-Tel. So heißt der staatliche Risikokapitalgeber, der sich an Technologie-Start-ups beteiligt, um der CIA den Anschluss ans Silicon Valley zu sichern. Das Q im Namen ist eine Anspielung auf die gleichnamige Figur aus den James-Bond-Filmen. Im Auftrag des Geheimdienstes MI6 sorgt Q als Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung für Vorsprung durch Technik. 

Als In-Q-Tel im September 1999 gegründet wurde, ging es nicht um Vorsprung. Sondern darum, überhaupt dabei zu sein bei der digitalen Revolution, die von den jungen Tech-Wilden in Kalifornien vorangetrieben wurde.

Die CIA als abgehängter Innovator

Jahrzehntelang waren staatliche Organisationen der USA selbst führend: Steuergelder konnten die beste Technik privater Konzerne kaufen und lockten Talente aus der Wissenschaft an. Eine Forschungsbehörde des Verteidigungsministeriums entwickelte die Basis für das heutige Internet. Die CIA erfand Batterietechnologie, die den Massenmarkt eroberte. Erkenntnisse, die eine bessere Auswertung von Satellitenfotos ermöglichten, wurden später auch von Medizinern zur besseren Diagnose von Brustkrebs genutzt. Und hatten US-Geheimdienste ausnahmsweise nicht selbst bei einer neuen Entwicklung die Finger im Spiel, sorgten sie zumindest dafür, dass es eine Hintertür gab.

Berühmt-berüchtigt ist der Fall der Crypto AG. Das Unternehmen aus der Schweiz stellte Verschlüsselungsmaschinen für abhörsichere Kommunikation her. Regierungen auf der ganzen Welt nutzten die Produkte. In den Siebzigern kauften sich die CIA und der deutsche Geheimdienst BND heimlich ins Unternehmen ein. Im Rahmen der Operation Rubikon wurden mehr als 100 Staaten manipulierte Geräte untergejubelt, die von den beiden Geheimdiensten abgehört werden konnten. So einfach war das früher. 

Mit dem World Wide Web veränderte sich das Geschäft. Das Silicon Valley legte ein atemberaubendes Tempo vor. Technik, Geld und Talente konzentrierten sich zunehmend bei privaten Unternehmen. Neben Hardware wurde Software immer bedeutender. Die staatlichen Institutionen konnten anfangs nur zusehen, als die aufstrebenden Tech-Konzerne damit begannen, riesige Datenmengen zu speichern und zu analysieren. Nachrichtendienste sahen plötzlich alt aus. Eine Revolution ohne Zutun der CIA? Ein unhaltbarer Zustand. Ende der Neunziger reagierte der Geheimdienst.

Die CIA als Teil des Silicon Valley

Die Führung der Agency erkannte, dass es zwecklos wäre, in direkte Konkurrenz zu den privaten Innovatoren des Internet-Zeitalters zu treten.

„Die Mission der CIA war das Sammeln von Informationen, nicht IT-Innovation“, schreibt Rick E. Yannuzzi, Ex-Mitglied im Start-up-Team der CIA, über die Gründungsgeschichte von In-Q-Tel. Yannuzzi zufolge begriff die CIA-Führung, dass sie ein Geschäftsmodell anbieten musste, dass im Silicon Valley verstanden werden würde. „Ein Modell, das es denen, die sich mit In-Q-Tel zusammentun, ermöglicht, ihre Innovationen kommerziell zu nutzen.“ Zudem würden die Unternehmen Einblicke in die „ganz speziellen Probleme“ des Geheimdienstes erhalten. Dass deren Lösung auch im zivilen Sektor potenziell interessante Produkte und Anwendungen hervorbringen konnte, hatte die CIA selbst gezeigt. Und so wurde In-Q-Tel aus der Taufe gehoben – und die CIA ein Teil des Silicon Valley.

Hunderte Beteiligungen

In-Q-Tels Aufgabe ist es, Unternehmen zu finden und zu finanzieren, die Technologien entwickeln, die von Interesse für die nationale Sicherheit sind. 

Ein frühes Investment war 2003 das Satellitenfoto-Unternehmen Keyhole, das im Jahr darauf von Google übernommen wurde und die Basis für die Entwicklung von „Google Earth“ lieferte. Auch Microsoft, IBM und Facebook gehören zu den Unternehmen, die Firmen geschluckt haben, an denen In-Q-Tel beteiligt war. 

Inzwischen hat In-Q-Tel in Hunderte Unternehmen investiert und verwaltet Vermögenswerte im Wert von mehreren Hundert Millionen Dollar. Beraten wird In-Q-Tel dabei von Insidern aus dem Valley, die sich teilweise wiederum selbst als Wagniskapitalgeber betätigen. 2016 berichtete The Wall Street Journal über mögliche Interessenkonflikte in der Organisation, die nur wenige Details über ihre Arbeit öffentlich preisgibt. 

Ein In-Q-Tel-Investment hat Vorbildwirkung. Wer von der Non-Profit-Einrichtung unterstützt wird, erhält anschließend oft ein Vielfaches an Wagniskapital von privaten Geldgebern. 

Auch nach Deutschland streckt In-Q-Tel seine Fühler aus: Ende August wurde bekannt, dass der staatliche Kapitalgeber bei Morpheus Space einsteigt. Das Dresdner Start-up entwickelt Ionentriebwerke für Satelliten.

Das nächste IPO

Mit Palantir plant gerade ein In-Q-Tel-Unternehmen den Börsengang (siehe Seite 40). Der Softwareentwickler ist auf Entdeckung von Betrug und Terrorismus durch Datenauswertung spezialisiert. Zu den Kunden gehören Polizei und Geheimdienste. Nebenbei verkauft die Firma, an der auch Paypal-Mitgründer Peter Thiel beteiligt ist, Software für Hedgefonds.

Es ist nicht das erste IPO dieser Art. Beim seit 2017 börsennotierten Datenbankunternehmen MongoDB war In-Q-Tel ebenfalls ein früher Investor.

Gesucht: Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek soll Kontakte zu Geheimdiensten haben.

Der Fall Wirceard

Der offizielle Investmentarm der CIA ist eine Ausnahme. Normalerweise sind Verbindungen zwischen Geheimdiensten und Wirtschaftsunternehmen diskreter. Ein beliebter Partner für staatliche Organisationen, die bisweilen jenseits der Gesetze operieren, sind Banken und Zahlungsabwickler. Sie können helfen, Zahlungsströme zu verschleiern und Geld zu waschen. Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek war womöglich viele Jahre ein Verbindungsmann zwischen seinem Arbeitgeber und der Schattenwelt. Marsalek ist nach dem Milliardenskandal bei Wirecard untergetaucht. Angeblich hält er sich nahe Moskau auf und wird vom russischen Auslandsgeheimdienst beaufsichtigt. Das berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf Marsaleks Bekanntenkreis. Spekuliert wird, der umtriebige Marsalek könnte eine Art „Zahlungskurier“ für Russland gewesen sein. Unter anderem hat Marsalek womöglich bei der verdeckten Finanzierung von Söldnern im Ausland geholfen.

Keine Garantie für Rendite

Aus Anlegersicht sind Unternehmen mit Verbindung zur CIA eine zweischneidige Angelegenheit. Vorteil: staatliche Aufträge und Förderung. Nachteil: Wo es um die nationale Sicherheit geht, steht der Gewinn im Zweifel erst an zweiter Stelle. Palantir macht jedenfalls bislang Verlust.

Dieser Artikel ist in DER AKTIONÄR Nr. 37/2020 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.

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