Trotz aller rechtlichen Bedenken hat sich die Berliner Regierungskoalition aus SPD, Linkspartei und Grünen auf einen Mietendeckel geeinigt. Während die Mieter hoffen, dass sie künftig weniger Miete bezahlen, laufen die Vermieter Sturm. Die großen Wohnungskonzerne wie Vonovia, Deutsche Wohnen oder ADO sind unterschiedlich betroffen. DER AKTIONÄR hat sie unter die Lupe genommen.
Mietenstopp für fünf Jahre
Dem Gesetz nach sollen die Mieten in der Hauptstadt für fünf Jahre eingefroren werden. Lediglich ein Inflationsausgleich von 1,3 Prozent pro Jahr soll ab 2022 gelten. Außerdem dürfen Modernisierungsmaßnahmen ohne Genehmigung in Höhe von einem Euro pro Quadratmeter umgelegt werden.
Des Weiteren sieht das Eckpunktepapier der Berliner Regierung vor, dass Mieten von mehr als 120 Prozent einer Höchstmiete, die der Senat in einer extra angefertigten Mietentabelle festgelegt hat (siehe Tabelle), neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes auf 120 Prozent gesenkt werden müssen.
Für die großen Wohnungsgesellschaften in Berlin sieht Philipp Wass, Analyst bei Scope Ratings, bei bestehenden Mietverträgen trotzdem nicht viel Anpassungsbedarf. "In der Spitze dürften manche Verträge vom neuen Gesetz betroffen sein, doch die Durchschnittsmiete liegt auf Ebene der eingeführten Grenzen", so der Experte. Die Hochschreibung der Immobilienwerte, wie sie in den letzten Quartalen vorgenommen wurde, sei hingegen jetzt nicht mehr ohne Weiteres möglich. "Bei der Bewertung der Bestände wurden höhere Mieten einkalkuliert, das ist jetzt nicht mehr der Fall", so Wass.
Vonovia: Größe ist Trumpf
Bei Vonovia in Bochum reagiert man relativ gelassen auf die Entscheidung in Berlin. "Wir werden uns Zeit nehmen, den Mietendeckel zu analysieren und zu bewerten", so Pressesprecherin Christina Bertholdt.
"Fakt ist: Ein Mietendeckel und eine Mietobergrenze werden das Problem von zu wenigen Wohnungen in Berlin vergrößern, dringend benötigte Investitionen in Energieeffizienz und den altersgerechten Umbau von Wohnungen verhindern und vor allem denjenigen nicht helfen, die in Berlin eine Mietwohnung suchen. Wir stellen uns die berechtigte Frage, ob das vom Berliner Senat geplante Gesetz mit der Verfassung vereinbar ist. Schließlich würde dieses Gesetz bedeuten, dass wir uns vom Berliner Mietspiegel verabschieden, der sowohl vom Mieterbund als auch von Vermietern anerkannt war", ergänzt Bertholdt.
Die Auswirkungen des Mietendeckels dürften Vonovia weniger hart treffen als manche Konkurrenten, denn Deutschlands größter Wohnungskonzern hat nur etwa zehn Prozent seiner Wohneinheiten in Berlin. Im August hatten die Bochumer nach den ersten Gesetzentwürfen der Berliner Regierung die Guidance für 2019 noch einmal bestätigt. Für 2020 hingegen hatten sie einen einmaligen Mietrückgang um rund 20 bis 25 Millionen Euro erwartet. Das sind etwa zehn Prozent der Mieteinnahmen in Berlin respektive ein Prozent der Gesamtmieterträge. Nachdem der aktuelle Gesetzentwurf aber nicht ganz so radikal ausfällt wie ursprünglich angedacht, ist mit noch geringeren Auswirkungen zu rechnen.
Bei der Deutsche Wohnen werden die Folgen des Mietendeckels ebenfalls noch untersucht, so IR-Managerin Suzan Breyer gegenüber der aktionär. Spätestens mit den Quartalszahlen am 13. November sollten aber valide Daten vorliegen. Der zweitgrößte Wohnungskonzern Deutschlands dürfte dennoch unter dem neuen Gesetz, sofern es Bestand hat, stärker leiden als Vonovia. Rund 70 Prozent der Wohnungen liegen im Großraum Berlin. Die genauen Auswirkungen auf die Mieten sind schwierig einzuschätzen, sagt Jochen Schmitt vom Bankhaus Metzler. Das Mietwachstum dürfte aber künftig geringer ausfallen. Zudem rechnet Schmitt mittelfristig mit unveränderten Funds from Operations, dem operativen Gewinn.
ADO Properties: 100 Prozent Berlin
Das neue Mietengesetz wird vor allem den Verantwortlichen bei ADO Properties Kopfzerbrechen bereiten. Das Unternehmen ist ausschließlich auf die Bundeshauptstadt konzentriert und war einer der großen Profiteure des Immobilienbooms in der Stadt. Im August hatte Unternehmenschef Ran Laufer schon vor den Folgen gewarnt und deshalb keine Prognose mehr für das Mietwachstum auf vergleichbarer Basis abgegeben. Ursprünglich hatte er ein Plus von fünf Prozent in Aussicht gestellt.
Wie bei Vonovia herrscht auch bei der Aroundtown-Tochter Grand City Properties (GCP) keine Panik wegen des Mietendeckels. Das Unternehmen wäre von einer solchen Maßnahme nur wenig betroffen, da das Berlin-Portfolio nur 13 Prozent der gesamten Mieteinnahmen des Konzerns ausmacht, sagte GCP-Chef Christian Windfuhr im August.
Analyst Wass sieht sogar für die großen Player auf dem Berliner Wohnungsmarkt Wachstumsperspektiven. Kleinere Unternehmen, die – in der Hoffnung steigender Mieten – zu Mietrenditen zwischen zwei und drei Prozent eingekauft haben, könnten wegen des neuen Gesetzes gezwungen sein, ihre Bestände zu verkaufen. "Weil a) die Bewirtschaftung sich nicht mehr lohnen dürfte und b) höhere Eigenkapitalanforderungen der Banken zu erwarten sind."
Wie schon in Ausgabe 28/2019 des AKTIONÄR geschrieben, hat Vonovia das beste Chance-Risiko-Verhältnis. Wer den 1. Staffelkauf bei ADO und Deutsche Wohnen getätigt hat, sollte die Positionen wieder verkaufen.