Bei Wirecard reißen die schlechten Nachrichten nicht ab: Der von einem Bilanzskandal erschütterte Zahlungsabwickler ist nun auch in den USA ins Visier der Behörden geraten. Dabei geht es laut einem Medienbericht um einen 100 Millionen Dollar schweren Fall von Bankbetrug im Zusammenhang mit einer Online-Handelsplattform für Marihuana. An der Börse kommt das am Donnerstag nicht gut an.
Laut einem Bericht des Wall Street Journal (WSJ) beschuldigt die US-Justiz zwei Geschäftsleute, sich mit Zahlungsabwicklern und weiteren Parteien abgesprochen zu haben, um US-Banken zu täuschen. Diese sollten demnach dazu gebracht werden, Kreditkartenzahlungen für Marihuana-Produkte zu bestätigen.
Von Justizministerium und FBI werde nun geprüft, ob Wirecard dabei eine entscheidende Rolle gespielt habe, berichtete das Blatt unter Berufung auf mit den Ermittlungen vertraute Personen. Dabei stünden auch frühere und derzeitige Mitglieder des Top-Managements von Wirecard im Fokus. Zumindest einer von ihnen soll laut dem WSJ-Bericht engen persönlichen Kontakt zu einem der Beschuldigten gehabt und sogar dessen Kaution gestellt haben.
Die Liste möglicher Vorwürfe gegen das vermeintliche deutsche Vorzeigeunternehmen wächst damit weiter. Hierzulande ermittelt die Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Bilanzfälschung und Betrugs. Im Fokus steht dabei auch Ex-CEO Markus Braun und das frühere Vorstandsmitglied Jan Marsalek, der sich auf der Flucht befindet.
Folgen für die Aufspaltung?
Für den Investorenprozess zum Verkauf des Kerngeschäfts und der Beteiligungen von Wirecard, der laut Insolvenzverwalter Michael Jaffé in Kürze starten soll, sind das ebenfalls keine guten Nachrichten. Das gilt insbesondere, falls auch die US-amerikanische Tochter Wirecard North America in die Betrugsvorwürfe verwickelt sein sollte. Diese Einheit hatte sich bereits in der Vorwoche selbst zum Verkauf gestellt. Dort seien die Verkaufspläne laut Jaffé auch „am weitesten fortgeschritten“.
Zwar gibt es nach Angaben des Insolvenzverwalters bereits mehr als 100 Interessenten. Völlig offen ist dabei allerdings, wie viel diese zu zahlen bereit sind. Das hängt vor allem von der Werthaltigkeit des Kerngeschäfts und der Töchter ab, und die wurde durch einen Bericht der Financial Times bereits am Wochenende in Zweifel gezogen.
Das Blatt meldete unter Berufung auf einen bislang unveröffentlichten Anhang des KPMG-Berichts, dass Wirecard wohl auch im Kerngeschäft seit Jahren rote Zahlen schrieb (DER AKTIONÄR berichtete).
Von der Wachstumsstory des einst gefeierten Payment-Überfliegers ist Stand heute nicht mehr viel übrig. Und je länger die Unklarheit andauert, desto mehr Kunden könnten dem Unternehmen auch noch den Rücken kehren. Zwar hätten diese „größtenteils eine konstruktive Haltung“ vertreten und „großes Interesse an einer zügigen Investorenlösung aus der Insolvenz“ bekunden, erklärte Jaffé. Mit der Aldi Gruppe hat aber ausgerechnet einer der prominentesten Wirecard-Kunden bereits die Flucht ergriffen.
All das dürfte sich auch in den Angeboten potenzieller Käufer bei der Zerschlagung widerspiegeln. Und selbst wenn es gelingt, einige Filetstücke zu attraktiven Preisen zu veräußern: Ob davon am Ende etwas bei den geprellten Aktionären ankommt, ist fraglich. Sie kommen in der Verwertungskette erst nach den Kreditgebern und Anleihegläubigern zum Zuge.
Die letzten Zuckungen – und drei Alternativen
Nach kurzer Erholung zu Wochenbeginn war die Wirecard-Aktie am Mittwoch wieder um rund zwölf Prozent auf 2,78 Euro abgerutscht. Am Donnerstagmorgen geht es zunächst weiter abwärts. DER AKTIONÄR rechnet nach wie vor mit deutlichen Kursbewegungen in beide Richtungen. Dabei handelt es aber nur noch um die Zuckungen der Pleite-Zocker.
Wer langfristig auf den ungebrochenen Boom in der Payment-Branche setzen will, muss sich nach Alternativen zu Wirecard umsehen – drei davon stellt DER AKTIONÄR in der neuen Ausgabe (29/2020) vor.