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Trade Republic: Krass im Vergleich zu Flatex

Trade Republic: Krass im Vergleich zu Flatex
Foto: Trade Republic
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Michael Diertl 18.01.2023 Michael Diertl

Der diesbezüglich Öffentlichkeitsscheue Berliner Neobroker Trade Republic hat seine 2021er-Bilanz veröffentlicht. Diese hat, nach der jüngsten Finanzierungsrunde, mit den Ergebnissen bei manch einem in der Fintech-Szene den nächsten großen Jubelsturm entfacht. Die Bilanz legt eines schonungslos offen.

3.330 Euro – so viel ist ein Trade Republic-Kunde derzeit in etwa wert. Auf die Zahl, die sich in keinem Bericht findet, stößt man, wenn man die aktuelle Bewertung des Neobrokers aus Berlin heranzieht – es sollen gemäß letzter Finanzierungsrunde 5 (!) Milliarden Euro sein – sowie die vermutliche, weil unbestätigte Anzahl der Kunden. Diese schätzen wir nach dem Boomjahr 2020/21 auf grob 1,5 Millionen. 3.330 Euro, das ist viel Holz.

Vor allem, wenn man den Vergleich fortführt, den die Kollegen von finanz-szene.de in Zusammenhang mit der am Vortag erfolgten Veröffentlichung des Berichtes für das Geschäftsjahr 2020/21 (01.10.2020 bis 30.09.2021) im Bundesanzeiger gezogen haben. Sie werfen die Frage auf: „Wie stand Trade Republic im Vergleich zu Flatex da?“

Wörtlich heißt es: „Aus den Quartalsberichten lässt sich errechnen, dass FlatexDegiro zwischen Oktober 2020 und September 2021 auf Umsätze von 411 Millionen Euro kam – also immer noch gut das Vierfache von Trade Republic.“ Spannend wird es, wenn man den Vergleich auf Trades, Umsatz und Gewinn je Kunde und weitere Kennziffern erweitert.

Ertrag pro Trade und Anzahl der Trades

Wie viele Trades hat wer gemacht? In dem Artikel heißt es, Flatex habe im Betrachtungszeitraum 92 Millionen Transaktionen abgewickelt. Trade Republic nennt hingegen keine Zahl. Finanz-szene.de unterstellt pro Trade einen Ertrag von 2,25 Euro bis 2,50 Euro und kommt bei Provisionserträgen von 94 Millionen Euro somit auf etwa 40 Millionen Trades. Die Krux: Liegt der Ertrag tatsächlich so niedrig wie hier angenommen?

Zum Vergleich: Flatex soll laut Unternehmenspräsentation pro Trade mehr als 5 Euro erlösen. Ist die Zahl der Trades also zu hoch angesetzt? Die Wahrheit dürfte irgendwo dazwischen liegen. Nimmt man zugunsten von Trade Republic 3,50 Euro pro Trade an, käme der Neobroker immer noch auf stattliche 27 Millionen Trades und damit auf grob gesagt ein Drittel des Flatex-Volumens. 

Gewinn versus Verlust: Vorzeichenwechsel

Beim Blick auf den Ertrag je Kunde wird ebenfalls eine gewisse Diskrepanz zwischen den beiden Marktteilnehmern offenbar: Während finanz-szene.de von einem Jahresergebnis von Minus 35,2 Millionen Euro spricht, könnte man auch ebenso gut 50,4 Millionen Euro nennen. Beide Zahlen tauchen im Geschäftsbericht auf. Der Unterschied: Die 50,4 Millionen Euro Verlust beziehen sich auf das „Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit“. Auf die 35,2 Millionen kommt die Firma, weil man latente Steuern in Höhe von 15,2 Millionen Euro subtrahiert. Unterstellt man wie finanz-szene im Jahresmittel eine Million Kunden, kommt man auf 50 respektive 35 Euro Verlust je Kunde.

Wie sieht es im Vergleich dazu bei Flatex aus? Aus Gründen der Einfachheit berufen wir uns auf 2021er-Zahlen, was den Vergleich leicht verzerren könnte, weil der Zeitraum um ein Quartal nach hinten verrückt ist. Flatex gibt an, 1,7 Millionen Kunden im Jahresmittel gehabt zu haben. Macht 57 Euro Gewinn je Kunde. Das ist mehr als ein kleiner Vorzeichenwechsel und damit ein markanter Unterschied zwischen beiden.

Als Argument ins Feld geführt, Trade Republic befinde sich in einer absoluten Hochphase des Wachstums, mag auf den ersten Blick verfangen. Laut dem Artikel der Kollegen soll Trade Republic im Betrachtungszeitraum 750.000 Kunden gewonnen haben. Das ist enorm und stellt viele Kontrahenten in Europa in den Schatten.

Nominell allerdings hat ausgerechnet Flatex kaum schlechter performt: Hier kamen 730.000 Kunden hinzu. Beim Umsatz je Kunde zeigt sich: Flatex hat 245 Euro je Kunde erlöst. Bei Trade Republic wären es bei einer Million Kunden 94 Euro gewesen. Ergo: Trade Republic-Kunden erzeugen etwas mehr als ein Drittel dessen, was Flatex-Kunden für die Firma an Erlös generieren. 

Börse versus Private: Über- oder Unterbewertung

Wie sieht es bei der Bewertung aus? Die letzte Finanzierungsrunde bei Trade Republic liegt einige Monate zurück – und ist angesichts der Turbulenzen an den Finanzmärkten zu diesem Zeitpunkt als absoluter Erfolg zu werten. Zur Erinnerung: Ende Mai/Anfang Juni 2022 erweiterte Trade Republic die vorherige Finanzierungsrunde um 250 (!) Millionen Euro. Angeführt wurde das Investment vom kanadischen Lehrerpensionsfonds OTPP, frühere Investoren (darunter der bekannte US-Fonds Sequoia) zogen mit. Bewertung: 5 (!) Milliarden Euro. Als privates, nicht gelistetes Unternehmen, ist das der letzte Ankerpunkt, an dem man sich orientieren kann. Währenddessen ändert sich die Bewertung von Flatex im Minutentakt. Nach Kurssturz im Dezember hat sich die Aktie inzwischen von ihren Tiefs erholt, ist von 5,61 auf mehr als 8 Euro gestiegen. Aktueller Marktwert: 889 Millionen Euro.

Heißt in der Fortführung des hier aufgeworfenen Vergleichs: Investoren bewerten den Neobroker aus Berlin, der 94 Euro je Kunde umsetzt, je nach Lesart 35 respektive 50 Euro mit ihm pro Jahr verliert, der auf ein Drittel der Transaktionen von Wettbewerber Flatex kommt, keine Banklizenz hat und die Einlagen bei Partnerbanken wie der Deutschen Bank parkt, mit 3.330 Euro je Kunde. Flatex indes kommt derzeit auf einen Wert je Kunde von 385 Euro. Sprich: Trade Republic wird mit dem Faktor 8,6-mal-Flatex bewertet.


Hinweis auf Interessenkonflikte:

Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, hält mittelbar und unmittelbar eine wesentliche Betei­ligung an der flatexDEGIRO AG, die unter den Marken flatex und DEGIRO Onlinebrokerage betreibt, und beabsichtigt, im zeitlichen Zusammenhang mit der Publikation mittelbar weitere Positionen aufzubauen, sodass er von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitiert.


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