ProCredit ist eine Bankholding, die vor allem in Ost- und Südosteuropa im Geschäft mit kleinen und mittleren Unternehmen tätig ist. DER AKTIONÄR sprach mit CEO Hubert Spechtenhauser über die Lage in der Ukraine – dort ist man immer noch aktiv – und über die weiteren Geschäftsaussichten 2023.
DER AKTIONÄR: Herr Spechtenhauser, die ProCredit unterscheidet sich – was das Geschäftsmodell und die Zielmärkte angeht – deutlich von anderen Banken. Bitte erzählen Sie uns mehr dazu.
Hubert Spechtenhauser: Die ProCredit Gruppe besteht aus zwölf Geschäftsbanken für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und dem Direktbankgeschäft mit Privatkunden mit operativem Fokus auf Südost- und Osteuropa. Als „Hausbank“ gehen wir bei jedem unserer KMU-Kunden auf die Besonderheiten des Unternehmens ein. Als entwicklungsorientierte Bankengruppe wollen wir einen positiven Impact auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft in den Ländern unserer Geschäftstätigkeit haben.
Die Gruppe war bereits vor dem Krieg in der Ukraine aktiv. Wie erging es Ihnen nach Kriegsbeginn?
Gerade zu Kriegsbeginn gab es höhere Belastungen für unser Geschäft, im ersten Quartal 2022 haben wir 35 Millionen Euro Risikovorsorge gebucht, was zu einem Verlust geführt hat. Zum Jahresende hatten wir die Rückstellungen für die Ukraine weiter erhöht, das konnte aber durch die sehr gute Geschäftsentwicklung der übrigen Gruppe überkompensiert werden. So konnte die ProCredit 2022 ein Konzernergebnis von 16,5 Millionen Euro ausweisen.
Wie bewerten Sie dort aktuell die Geschäftsaussichten?
Bisher konnten wir den Geschäftsbetrieb in der Ukraine weitestgehend aufrechterhalten. Derzeit ist es allerdings noch zu früh, die Situation in der Ukraine auf die mittlere Frist abschließend zu beurteilen. Zum jetzigen Zeitpunkt antizipieren wir grundsätzlich weiterhin positive Geschäftsaussichten und sehen uns insbesondere für ein mögliches Wiederaufbauszenario der Ukraine gut positioniert. Unsere Annahmen bei den mittelfristigen Rentabilitätszielen sind – was die Ukraine angeht – konservativ. Eine Verbesserung der Lage würde also zusätzliches Ergebnispotenzial für unsere Gruppe mit sich bringen.
Ist es dennoch nicht riskant, dass Sie zuletzt die Risikovorsorge im Gesamtkonzern heruntergefahren haben?
Wir haben insbesondere zu Beginn des Krieges und kontinuierlich im vergangenen Jahr erhebliche Risikovorsorge gebucht, um alle erkennbaren Risiken in den Finanzzahlen des Geschäftsjahres 2022 abzubilden. Gleichzeitig sehen wir, dass sich der operative Bankbetrieb in der Ukraine selbst in diesem Stressszenario positiv entwickelt hat und weiterhin in großen Teilen aufrechterhalten wurde. Hinzu kommt, dass der Großteil der Aktiva der Gruppe durch den Krieg in der Ukraine nicht direkt beeinflusst wird.
Welche Rolle spielten sogenannte Management-Overlays?
Auf Gruppenebene haben wir unsere sogenannten ‘Management Overlays‘ – das sind zusätzliche Anpassungen der modellbasierten Risikovorsorge – auf fast 40 Millionen Euro weiter erhöht, um auch den gestiegenen makroökonomischen und geopolitischen Risiken Rechnung zu tragen. Die relativ geringe Risikovorsorge im ersten Quartal 2023 war nicht durch Auflösungen dieser Management Overlays getrieben, sondern ist auf die positive Entwicklung einiger Risikoparameter zurückzuführen. Für das Geschäftsjahr 2023 insgesamt gehen wir allerdings weiter von erhöhten Risikokosten von bis zu 45 Basispunkten aus. Dies ist auch die Grundlage unserer Prognose einer Eigenkapitalrendite von acht bis zehn Prozent.
Im ersten Quartal war ein Gewinnanstieg zu verzeichnen. Können Sie das Niveau halten?
Im ersten Quartal 2023 haben wir ein Konzernergebnis von 29,5 Millionen Euro und eine Eigenkapitalrendite von 13,3 Prozent erreicht. Dadurch fühlen wir uns grundsätzlich in den mittelfristigen Zielen der Gruppe bestärkt. Kürzlich konnten wir auch unseren Ausblick für das laufende Geschäftsjahr anheben: Wir gehen derzeit für 2023 von einer Eigenkapitalrendite von acht bis zehn Prozent aus sowie von einem Kosten-Ertrags-Verhältnis von 62 bis 64 Prozent. Insgesamt ist das eine vorsichtige Prognose, die den weiterhin bestehenden Unsicherheiten aus dem Ukraine-Krieg angemessen Rechnung tragen soll. Zum aktuellen Zeitpunkt haben wir jedoch keine konkrete Kenntnis einer Verschlechterung unserer Portfolioqualität.
Vielen Dank für das Gespräch
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