Faktor-Zertifikate sind seit einigen Jahren eine Alternative zu klassischen Knock-out-Produkten oder Optionsscheinen. Wie alle Hebelprodukte ermöglichen sie überproportionale Gewinne gegenüber einem Direktinvestment – aber auch überproportionale Verluste, wenn sich der Basiswert anders entwickelt als erwartet. Dabei weisen Faktor-Zertifikate spezifische Stärken und Schwächen auf.
Einfache Struktur
Faktor-Zertifikate zeichnen sich vor allem durch den konstanten Hebel aus. Während der Hebel bei Turbo-Optionsscheinen oder Mini-Futures bei steigenden Kursen immer kleiner wird und vice versa, ist er hier unveränderlich. Das hat allerdings zur Folge, dass die Scheine trotz der unbegrenzten Laufzeit nicht für die langfristige Anlage gedacht sind.
In trendstarken Phasen ist mit den Faktor-Zertifikaten eine Outperformance gegenüber klassischen Produkten drin. Doch in Seitwärtsbewegungen schneidet ein Faktor-Investment schwächer ab – je stärker die Schwankungen, desto größer die Verluste.
Tägliche Anpassung
Damit der konstante Hebel realisiert wird, passt der Emittent die Parameter eines Faktor-Zertifikats täglich an. Basispreis und Bezugsverhältnis werden dann entsprechend gewählt, als Referenz gilt stets der Schlusskurs des Vortags. Berücksichtigt werden im Produktpreis zudem die Finanzierungskosten des Emittenten.
Reset-Barriere eingebaut
Ähnlich der K.-o.-Schwelle beim klassischen Knock-out-Zertifikat weist das Faktor-Zertifikat eine Reset-Barriere auf. Das bedeutet: Entwickelt sich der Kurs extrem ungünstig, erreicht der Basiswert vor dem Basispreis zunächst die Reset-Barriere. Wird diese bei einem Long-Produkt berührt oder unterschritten, wird der sogenannte Hedging-Wert ermittelt. Die Folge: Das Produkt wird intraday so angepasst, als hätte ein neuer Handelstag begonnen.
Trotz der Reset-Barriere droht allerdings auch bei Faktor-Zertifikaten ein Totalverlust. Wenn der Emittent die Absicherungsposition nach einem deutlichen Kurssturz – etwa nach einer dramatischen Gewinnwarnung – erst unterhalb des Basispreises verkaufen kann, verfällt das Faktor-Zertifikat wertlos.
Verschiedene Szenarien
Anhand von Beispielszenarien lässt sich gut veranschaulichen, wie Faktor-Zertifikate funktionieren, wann sie sich lohnen und wann eher nicht. Das ideale Szenario für einen Faktor-Long ist ein kontinuierlicher Anstieg des Basiswerts. Durch den konstanten Faktor wird die positive Performance verstärkt, der Basiseffekt zahlt sich aus. Der absolute Wert steigt exponentiell – ähnlich dem bekannten Zinseszinseffekt. Beispiel: Steigt ein Basiswert, der bei 100,00 Euro notiert, fünf Tage in Folge um je ein Prozent, notiert er bei 105,10 Euro. Ein Faktor-Long mit Faktor 4 dagegen steigt auf 121,67 Euro – ein Gewinn von 21,67 Prozent. Vier mal 5,10 Prozent hätten dagegen nur 20,40 Prozent entsprochen.
Das Szenario bei konstanten Verlusten ist vergleichbar. Hier profitiert der Faktor-Short vom Basiseffekt. Doch selbst wenn die Kurse gegen den Anleger laufen, wirkt sich der Basiseffekt positiv auf die Entwicklung des Faktor-Zertifikats aus. Die gehebelten Verluste beziehen sich dann auf ein niedrigeres Kursniveau und fallen entsprechend geringer aus.
Nachteile im Seitwärtstrend
Das Negativszenario für Faktor-Zertifikate ist dagegen ein volatiler Seitwärtstrend. Bei schwankenden Notierungen ohne klare Richtung wirkt der Basiseffekt negativ – je stärker die Ausschläge, desto schlechter die Performance. Da jeder Wert nach einem 50-prozentigen Verlust einen Anstieg um 100 Prozent benötigt, um das Ausgangsniveau wieder zu erlangen, reicht die Hebelwirkung beim Faktor auf dem niedrigeren Kursniveau nicht mehr aus. Der Chart oben zeigt, dass sowohl Long- als auch Short-Produkte nach einigen Tagen teils deutlich schwächer notieren, obwohl sich der Index letztlich nicht verändert hat.
Dieses Risiko bei Seitwärtsbewegungen erklärt auch, warum Faktor-Zertifikate sich nicht unbedingt für längerfristige Investments eignen. Interessant sind sie vor allem für kurzfristig orientierte Trader.
VIRICA: 5 Top-Biotech-Werte in einem Index
Wer auf Faktor-Zertifikate setzen will, dem bieten die Emittenten inzwischen eine breite Auswahl an Produkten und Basiswerten. Eine Möglichkeit ist ein Investment in den VIRICA-Index des aktionär. Nachdem die Biotech-Branche trotz der immensen Wachstumsraten und -chancen in den vergangenen Monaten die Rallye an den Börsen nicht mitmachen konnte, setzt der Sektor nun zur großen Aufholjagd an. Der Nasdaq Biotech Index hat seit seinem Oktober-Tief 2019 bei gut 3.000 Punkten mittlerweile 23 Prozent zugelegt. Sogar noch besser entwickelten sich einige Werte des VIRICA-Index. Dieser bestand zum Zeitpunkt der Auflegung im Jahr 2017 aus den großen Vertretern der Biotech-Branche Vertex, Incyte, Regeneron, Ionis, Celgene und Amgen. Nachdem Celgene mittlerweile von Bristol-Myers Squibb übernommen wurde, sind in dem Index nun noch fünf Werte vereint – fünf Werte, die es aber in sich haben.
Amgen beispielsweise hat seit Ende Juni rund 40 Prozent zulegen können. Die Geschäfte bei dem US-Biotech-Riesen laufen glänzend. Vor Kurzem hob der Konzern die Prognose für das laufende Jahr an. Laut eigenen Angaben dürfte der Umsatz in diesem Jahr zwischen 23,1 und 23,3 Milliarden Dollar liegen. Vorher war eine Spanne von 22,8 bis 23,0 Milliarden in Aussicht gestellt worden. Zudem geht Amgen davon aus, dass der Gewinn je Aktie nach dem Kauf des Schuppenflechte-Medikaments Otezla mit 14,50 bis 14,70 Dollar je Aktie höher ausfallen dürfte als bisher angenommen. Amgen hat Otezla in diesem Jahr von Celgene für 13,4 Milliarden Dollar erworben und damit den Weg geebnet für die Übernahme von Celgene. Damit sicherte sich der Konzern Zugriff auf einen weiteren Blockbuster, der Amgen in den kommenden Jahren Milliarden in die Kassen spülen wird. Weiteren massiven Schwung erhielt die Aktie zudem von der Ankündigung, sich bei der chinesischen Biotech-Schmiede BeiGene mit gut 20 Prozent beteiligen zu wollen. Die Aktie von Amgen notiert mittlerweile so hoch wie noch nie zuvor in der Geschichte des Unternehmens.
Ähnlich sieht es auch bei Vertex aus. Das Unternehmen hat in den vergangenen Wochen und Monaten mit einer positiven News nach der anderen glänzen können. Die Aktie kletterte im Einklang damit von einem Rekordhoch zum nächsten. Zum einen hat das Unternehmen von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA grünes Licht für seine Dreifachtherapie Trikafta bestehend aus VX-445, Tezacaftor und Ivacaftor zur Behandlung von zystischer Fibrose (Mukoviszidose) erhalten. Und das sogar fünf Monate früher als gedacht. Zum anderen gab es positive Studiendaten zum Gemeinschaftsprojekt mit dem Gen-Schere-Player CRISPR Therapeutics.
Von einem neuen Allzeithoch zwar noch weit entfernt, aber mit einer zuletzt beeindruckenden Aufholjagd überzeugt mit Incyte ein weiterer Wert aus dem Quintett. Die Aktie gewann seit dem September-Tief ebenfalls mehr als 30 Prozent. Im Vergleich zum Jahrestief, das im Januar markiert wurde, konnte der Wert mehr als 50 Prozent hinzugewinnen. Das Unternehmen hat in den vergangenen Wochen gleich mehrere positive Studiendaten liefern und einen Zulassungsantrag bei der FDA einreichen können.
Die Chancen stehen gut, dass sich die Erholung im Biotech-Sektor und auch die Outperformance der Werte im VIRICA-Index fortsetzen können. Anleger, die von dieser Entwicklung profitieren möchten, setzen auf das Faktor-Zertifikat mit der WKN MF20AD.
Hochtief: Wann fliegt der Deckel?
Hochtief zählt zu den führenden internationalen Baukonzernen und glänzt seit Jahren mit steigenden Gewinnen und vollen Auftragsbüchern. Das komplizierte Konstrukt mit der spanischen Mutter ACS, Vorwürfe der Bilanzkosmetik gegen die australische Tochter Cimic und vor allem die Nachwehen der teuren Übernahme des spanischen Autobahnbetreibers Abertis drückten in den vergangenen Monaten allerdings auf den Aktienkurs.
Inzwischen steuert die Abertis-Beteiligung zwar bereits ein Fünftel des erwarteten Gewinns bei. Langfristig ist das Geschäft dank hoher Mauteinnahmen zudem hochlukrativ. Doch es gibt ein Problem: Im Rahmen der Abertis-Übernahme gingen 24 Prozent der Hochtief-Anteile an den italienischen Autobahnbetreiber Atlantia. Dieser hat allerdings seit dem Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua Cash-Bedarf und die Beteiligung bereits auf 18 Prozent reduziert. Die Angst vor weiteren Platzierungen belastet seitdem den Kurs.
Doch sobald Atlantia entweder Fakten schafft oder die Angst aus dem Markt weicht, dürfte der Deckel im wahrsten Sinne des Wortes fliegen. Das stabile Wachstum, die sinnvolle Übernahme von Abertis, die hohe Dividendenrendite von 5,8 Prozent oder die starke Entwicklung in Nordamerika – es gibt genügend Argumente für Hochtief. Vor allem ist die Aktie mit einem Börsenwert von 7,5 Milliarden Euro im Peergroup-Vergleich sehr günstig bewertet – das KGV für 2020 beträgt lediglich 11. Spekulative Anleger greifen zum Faktor-Long mit der WKN CU0B97.
Spannende Depotbeimischung
Faktor-Zertifikate sind eine interessante Beimischung fürs Depot. Anleger setzen damit auf eine rasche Fortsetzung der Aufwärtstrends.
Dieser Text ist ein leicht veränderter Auszug aus DER AKTIONÄR 50/2019.