Von Patrick McGee
Financial Times
Übersetzung: Thomas Steer
Die Muttergesellschaft von Facebook wird von Entwicklern kritisiert und der „Heuchelei“ bezichtigt. Grund sind die Bedingungen für den Virtual-Reality-Store.
Meta bekommt wegen der Gebühren für die Apps, die für seine Virtual-Reality-Headsets entwickelt werden, immer mehr Kritik zu hören. Die Entwickler beschweren sich über die kommerziellen Bedingungen im Zusammenhang mit den futuristischen Geräten, mit denen das Unternehmen einen milliardenschweren Verbrauchermarkt schaffen will.
Die Muttergesellschaft von Facebook will in den nächsten zehn Jahren jährlich zehn Milliarden Dollar für das sogenannte „Metaverse“ ausgeben – ein stark gehyptes Konzept einer immersiven virtuellen Welt voller Avatare.
Hinter der Investition steht der Wunsch Metas, die nächste digitale Plattform zu besitzen, ohne von den Regeln der Big-Tech-Konkurrenz eingeschränkt zu werden, wie es bei Apple und Google mit ihren jeweiligen App Stores der Fall war.
Apple wird voraussichtlich noch in diesem Jahr eine Augmented-Reality-Brille auf den Markt bringen. Microsoft entwickelt derweil Dienste für sein Virtual-Reality-Headset HoloLens.
Mehrere Entwickler zeigten sich gegenüber der Financial Times jedoch frustriert. Denn Meta, das auf dem noch jungen Markt als Vorreiter gilt, wird ein ähnliches Gebührenmodell für seinen VR-App-Store einführen, wie wir es von Smartphones kennen. Und das, obwohl Meta-Chef Mark Zuckerberg in der Vergangenheit die Preispolitik bestehender App Stores scharf kritisiert hatte.
„Verwechseln Sie nicht Marketing mit der Realität. Aus Marketinggründen ist es gut, auf Apple herumzuhacken. Aber das bedeutet nicht, dass Meta nicht genau das Gleiche tun wird“, sagt Seth Siegel, globaler Leiter für KI und Cybersicherheit bei Infosys Consulting. „Es gibt für sie keinen Grund, es besser zu machen.“
Der „Quest Store“ für Metas Oculus Quest 2, das bei weitem beliebteste VR-Headset auf dem Markt, kassiert einen Anteil von 30 Prozent an digitalen Käufen und berechnet 15 bis 30 Prozent für Abonnements. Das sind ähnliche Gebühren wie bei Apple und Android.
„Hier werden Dienstleistungen erbracht, keine Frage. Sie stellen erstaunliche Hardware her und bieten App-Store-Dienste an“, sagte Daniel Sproll. Er ist Chef von Realities.io, einem Start-up für immersive virtuelle Welten, das hinter dem VR-Spiel Puzzling Places steht.
„Das Problem ist aber: Es fühlt sich an, als hätten sich alle auf diese 30 Prozent geeinigt, und genau das stört uns. Wir haben nicht das Gefühl, dass es einen Wettbewerb gibt. Die chinesischen Unternehmen, die Headsets auf den Markt bringen, tun dasselbe. Warum sollten sie es ändern?“
Meta verteidigte seine Vorgehensweise: Im Gegensatz zu iPhone-Besitzern könnten Quest-Nutzer Apps außerhalb des offiziellen Stores über SideQuest, den App Store eines Drittanbieters, installieren. Oder sie nutzen App Lab, Metas weniger eingeschränkten, experimentelleren App Store.
„Wir wollen die Vielfalt und den Wettbewerb im VR-Bereich fördern“, so Meta. „Und es funktioniert. Unsere Bemühungen haben sich für die Entwickler finanziell ausgezahlt: Wie wir Anfang des Jahres bekannt gegeben haben, wurde bislang über eine Milliarde Dollar für Spiele und Apps im Meta Quest Store ausgegeben.“
Die Entwickler begrüßen die genannten Alternativen, halten ihren Erfolg aber für begrenzt. SideQuest wurde laut Sensor Tower nur 396.000 Mal heruntergeladen, die Oculus-App dagegen 19 Millionen Mal. App Lab kassiert derweil immer noch einen Anteil von 30 Prozent an den Käufen.
Zuckerberg hat sich zuvor über Apples „horrende Gebühren“ beschwert und kritisierte das Unternehmen als „beispiellosen Gatekeeper, der bestimmt, was auf die Handys kommt“. Er bezog sich dabei auf die Freigabe- und Auswahlverfahren im Apple App Store.
Apple warf Meta „Heuchelei“ vor, als der Hersteller des Oculus-Headsets im April ankündigte, dass sein „interaktives VR-Erlebnis“ Horizon Worlds zusätzlich zu seiner 30-prozentigen Gebühr für digitale Käufe eine „Plattformgebühr“ von 17,5 Prozent erheben werde.
Apple sagte weiter: „Das zeigt, dass sie einerseits Apples Plattform kostenlos nutzen möchten, andererseits aber gerne Geld von den Entwicklern und kleinen Unternehmen kassieren, die ihre eigene Plattform nutzen.“
Bis Apple und andere Unternehmen bei der Erschließung des VR-Marktes besser aufeinander abgestimmt sind, kann Meta den Entwicklern zufolge bei den Apps die Fäden ziehen, indem es die Entwicklung einiger Apps beschleunigt und die anderer verzögert.
Einige Titel werden in den experimentellen App-Lab-Store verschoben, während einige der besten – zum Beispiel die Fitnessspiele BeatSaber und Supernatural – von Meta übernommen werden.
Ein weiterer Streitpunkt zwischen den Entwicklern und Meta ist die veränderte Einstellung des Unternehmens dazu, wie „offen“ der VR-App-Store sein wird.
Laut Metas Content Ecosystem Director Chris Pruett hat das VR-Team „jahrelang intensiv darüber diskutiert“, ob Entwickler ihre Inhalte relativ uneingeschränkt im App Store hochladen dürfen oder ob Apps vom Unternehmen viel stärker kontrolliert und „ausgewählt“ werden sollten – ähnlich wie Apple es bei seinem App Store macht.
Pruett zufolge stellte Meta fest, dass laxe Standards dazu führen, dass zu viele Nutzer von minderwertigen Inhalten frustriert sind. Deshalb will das Unternehmen stärker die Rolle eines Gatekeepers übernehmen. Laut den Entwicklern könnten die dabei entstehenden Barrieren jedoch nicht transparent genug sein.
„Etwas in den Quest Store zu bringen, ist mühsam“, sagte Lyron Bentovim, Chef der Glimpse Group, eines Unternehmens für immersive Erlebnisse. „Es ist wesentlich schwieriger als bei den Stores von Apple oder Android.“
Rooom, eine Metaverse-Plattform für 3-D-Events, schaffte es nach neunmonatigem Hin und Her in den Quest Store. Bei Apple dauerte der gleiche Prozess weniger als zwei Wochen, so Chief Information Officer Sebastian Gottschlich.
Devon Copley, Chef von Avatour, einem Unternehmen für virtuelle Meetings, hat nach eigenen Angaben im Entwickler-Forum um Unterstützung gebeten, erhielt jedoch auf seine Fragen „überhaupt keine Antwort“.
Der Kontakt zu den Entwicklern hat bei Meta „völlig gefehlt“, so Copley. „Es ist wirklich frustrierend, denn die Hardware-Entwicklung ist großartig, die Hardware-Plattform ist fantastisch, und sie leisten hervorragende Arbeit. Aber der Umgang mit den Entwicklern ist eine Katastrophe.“
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Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Apple.