Luxus übt seit jeher eine große Faszination aus – genauso stehen Luxus-Aktien bei den Anlegern hoch im Kurs. DER AKTIONÄR sprach mit Professor Fernando Fastoso, Professor für Brandmanagement, über Luxus im Allgemeinen, TOP-Marken im Besonderen und die weiteren Aussichten für die Luxusgüter-Branche insgesamt.
DER AKTIONÄR: Herr Fastoso, Ihr Lehrstuhl ist noch relativ neu (Wintersemester 2020). Welche Inhalte wollen Sie als Dozent den Studenten vermitteln?
Fernando Fastoso: Ich habe einen Lehrstuhl für Brand Management für Luxus und Prestige-Marken an der Hochschule Pforzheim. Mein Fokus in Forschung und Lehre liegt auf der Theorie und Praxis des Luxus-Branding und der Konsumenten-Psychologie, die dahintersteht. Luxus-Marken sind solche, die mit einem hohen Preis, Exklusivität, Authentizität und sehr hoher Qualität assoziiert werden. Bei Luxus-Produkten von Marken wie Hermés oder Balenciaga spielen Symbolik, Emotionen und Status eine besonders starke Rolle, und ihr Preis sorgt für ein hohes Maß an Exklusivität. Solchen Luxus könnte man „old luxury“ nennen. Es gibt aber dagegen Marken wie Calvin Klein, Ralph Lauren, Apple und Nespresso, die mit einigen „Codes“ des alten Luxus arbeiten, zum Beispiel mit der Wahrnehmung von Exklusivität trotz Preisen, die relativ erschwinglich sind. Das wäre der neue Luxus. Luxus ist heute kein monolithischer Begriff mehr, der nur ein Nischensegment bezeichnet.
"Luxus läuft immer", lautet ein geflügeltes Wort: Warum ist das so?
Luxusausgaben sind „Überfluss-Ausgaben“, die hauptsächlich von Menschen getätigt werden, die eher wohlhabend sind. Solche Kundensegmente leiden in Krisenzeiten weniger als der Durchschnitt und schränken ihren Konsum daher weniger ein. Daher die Vorstellung, dass Luxus immer „läuft“. Luxus „läuft“ auch, doch nicht immer gleich gut, denn die Luxusindustrie hat unter der Coronakrise gelitten. Zwischen 2019 und 2020 sind globale Luxusumsätze um rund 20 Prozent zurückgegangen.
Warum kaufen sich Menschen sündhaft teure Luxusartikel? Welche Motivationen sehen Sie?
Status ist mit Sicherheit die Hauptmotivation, die dahintersteht. Jedoch nicht nur. Wir unterscheiden in der Akademie den „Luxus für andere“, der statusmotiviert ist, vom „Luxus für sich selbst“. Letzterer hat mit Selbstbelohnung, -bestätigung oder -ausdruck zu tun. Soll heißen: Ich kann mir einen Oldtimer leisten, um andere Menschen damit zu beeindrucken oder einfach deswegen, weil ich mich an Oldtimern erfreue. Der kürzlich verstorbene Drummer der Rolling Stones, Charlie Watts, besaß eine ganze Sammlung davon, einen Führerschein aber nicht. Bei den meisten Konsumenten spielen aber beide Aspekte gleichzeitig eine Rolle.
Steckt dahinter auch das Phänomen, welches Psychologen bereits beobachtet haben: „Je teurer, desto besser?
Das muss man differenziert betrachten. Grundsätzlich gilt, dass Luxus teuer sein muss, sonst ist es kein Luxus. Ein hoher Preis ist ein Garant für die Exklusivität eines Produktes und macht „the happy few“, die sich ihn leisten können, außergewöhnlich. Wir leben aber in einer Zeit, die durch eine Demokratisierung des Luxus gekennzeichnet ist. Das wäre der neue Luxus, von dem ich soeben sprach. Luxusmarken heute verbreitern aber ihren Appeal und zielen auf „the happy many“ ab. In Emerging Markets wie China oder India sind das die sogenannten aufstrebenden Mittelschichten. Das führt dazu, dass sich heute viel mehr Konsumenten in viel mehr Ländern eine Flasche Dom Pérignon leisten können als vor 30 Jahren. Somit wird der „bloße“ Kauf einer Flasche solch einer bekannten Marke weniger exklusiv und daher prestigeträchtig. Wie kann man sich also in der heutigen Zeit als Champagnerkonsument differenzieren? Vielleicht durch den Kauf einer kleinen Champagnermarke, die nur wenige kennen. Denn solch eine Wahl zeugt von „Connaisseurship“. Soll heißen: Zur Distinktion gehört heute weiterhin Ausgabebereitschaft aber auch die eigene Kompetenz, die durch die „richtige“ Wahl zum Ausdruck kommt.
In der Regel wollen Menschen ihren Luxus zur Schau stellen. Das war in der Pandemie meist nicht möglich. Hat auch die Pandemie das Verständnis von Luxus verändert?
Das glaube ich eher nicht. Der chinesische Markt, einer der Haupttreiber des globalen Luxuskonsums, hat sich 2020 sehr schnell vom ersten Covid-Schock erholt. Als es Mitte des Jahres keinen Lockdown dort mehr gab, erlebte der Markt einen Trend, der als „Revenge Spending“ beschrieben wurde: Luxusausgaben, die im Lockdown nicht getätigt werden konnten, wurden nachgeholt. Es stimmt schon, dass während der Krise relativ mehr für Güter als Experiences ausgegeben wurde. Das könnte damit zusammenhängen, dass sich Menschen in Krisenzeiten nach Sicherheit sehnten. Jedoch ist diese Entwicklung aufgrund der Lockdowns vielleicht gerade dadurch zu erklären, dass in der Krise der Zugang zu Luxusexperiences stark eingeschränkt war.
Welche Entwicklungen/Trends beobachten Sie?
Einen verstärkten Trend zur Nachhaltigkeit, insbesondere bei jungen Konsumenten wie der Generation Z sehe ich nicht nur keinen Widerspruch in der Kombination Luxus und Nachhaltigkeit: Sie erwarten diese "Koexistenz" sogar. Beispiele dafür sind die Kooperationen von Burberry mit dem englischen Nationalspieler Marcus Rashford, die sich dem Kampf gegen Kinderarmut widmen. Dazu kommen Entwicklungen wie „pre-owned“ Luxus, den man zum Beispiel bei Vestiaire Collective bekommen kann oder Luxus „for rent“, den zum Beispiel Rent-The-Runway anbietet. Beide Entwicklungen basieren auf der Idee der Circular Economy.
In der Pandemie haben sich ja Marken wie etwa Louis Vuitton oder Christian Dior (beide LVMH) schnell erholt. Was ist deren Erfolgsgeheimnis?
Kontinuierliche Innovation, würde ich sagen. Innovation nicht nur bei Produkten, sondern in der Art, den heutigen Luxus und ihre Konsumenten zu verstehen. Denken Sie an den Einstieg von Virgil Abloh als Chefdesigner bei Louis Vuitton, der die Marke nah an die sehr junge "streetware" Szene gebracht hat. Oder an die Kooperation 2020 mit dem Online Game League of Legends, bei der Louis Vuitton nicht nur „Skins“ verkaufte, sondern auch den (virtuellen) Pokal bei der Weltmeisterschaft kreierte. Beides hat den Weg in Richtung des digitalen Luxus gebahnt, den viele Marken heute begehen, und Louis Vuitton für eine Zukunft vorbereitet, in der der digitale Luxus eine immer größere Rolle spielt.
Was macht Ihrer Erfahrung nach eine echte Luxusmarke aus? Sind die beiden genannten LVMH-Marken echte Paradebeispiele?
Beide Marken (Louis Vuitton und Christian Dior gehören zur Empfehlung des AKTIONÄR LVMH, Anm. der Red.) sind in der Tat sehr gute Beispiele für erfolgreiche Luxus-Brands. Sie stechen durch Authentizität, Ästhetik, Exklusivität und herausragende Qualität hervor. Durch ihre hohe Bekanntheit und jeweils sehr klares Marken-Image sind sie in den asiatischen Schlüsselmärkten China, Korea und Singapur sehr erfolgreich. Denn asiatische Konsumenten schätzen durch ihre kollektivistische Einstellung, bei der die Gruppe eher als der Einzelne zählt, den sozialen Wert des Luxus sehr.
Wie sehen Sie die (langfristigen) Wachstumschancen für den Luxusgütermarkt insgesamt - auch vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs?
Erst vor wenigen Monaten prognostizierte die Unternehmensberatung Bain & Company eine Erholung der globalen Luxusumsätze schon im Jahr 2022. Bereits Ende 2021 lagen die Umsätze nur knapp zehn Prozent unter denen des Jahres 2019, und Kategorien wie Schuhe und Schmuck verzeichneten schon höhere Umsätze als vor der Krise. Allerdings werden diese Prognosen durch den Krieg in der Ukraine mit Sicherheit revidiert werden müssen. Wie sich dieser Konflikt genau auf die Branche auswirken wird, ist heute noch nicht abzusehen.
Herr Fastoso, vielen lieben Dank für das Gespräch.