Von Alex Webb
Bloomberg Businessweek
Übersetzung: Laura Markus
Amazon hat einen Hersteller von Staubsauger-Robotern gekauft. Doch genau genommen ist es ein Unternehmen, das digitale Karten von Ihrer Wohnung erstellt. Am Freitag gab der E-Commerce-Riese die 1,7-Milliarden-Dollar-Übernahme von iRobot, dem Hersteller des Staubsaugers Roomba, bekannt. Wie immer bei Amazon dreht sich alles um eines: Daten.
Ein Smart Home ist eigentlich nicht besonders smart. Es weiß nur, dass sich Ihre Philips-Glühbirnen und Ihr Smart-TV in Ihrem Wohnzimmer befinden, weil Sie ihm das gesagt haben. Es weiß natürlich nicht, wo genau sich die Geräte in diesem Raum befinden. Je mehr es aber über einen bestimmten Raum weiß, desto besser kann es steuern, wie die Geräte mit Ihnen interagieren.
Für Amazon ist das Smart Home eine klare Priorität. Seine Echo-Smart-Speaker verkaufen sich immer noch besser als die der Konkurrenten Apple und Google. Laut dem Analyse-Unternehmen Strategy Analytics wurden in den drei Monaten bis einschließlich März schätzungsweise 9,9 Millionen Geräte verkauft. Hinzu kommt die Übernahme des Videotürklingel-Herstellers Ring für eine Milliarde Dollar im Jahr 2018 und des WLAN-Unternehmens Eero ein Jahr später.
Doch der Astro, Amazons Haushaltsroboter, der letztes Jahr mit großem Tamtam vorgestellt wurde, ist immer noch nur in begrenzter Stückzahl erhältlich. Auch hier handelte es sich zumindest teilweise um einen Versuch, Ihr Zuhause von innen zu erfassen – eine Aufgabe, die nun iRobot übernehmen wird. Die neuesten Produkte des in Bedford, Massachusetts, ansässigen Unternehmens enthalten eine Technologie namens Smart Maps. Die Kunden können sich jedoch gegen die Weitergabe der Daten entscheiden. Amazon sagte in einer Erklärung, dass der Schutz der Kundendaten „enorm wichtig“ sei.
Noch erschreckender ist, dass die Karten auch Händlern eine Fülle an Daten liefern. Die Größe Ihres Hauses ist ein ziemlich guter Indikator für Ihr Vermögen. Ein mit Spielzeug übersäter Boden bedeutet, dass Sie wahrscheinlich Kinder haben. Ein Haushalt ohne viele Möbel ist ein Haushalt, dem man mehr Möbel verkaufen kann. Dies sind alles nützliche Informationen für ein Unternehmen wie Amazon, das, wie Sie vielleicht bemerkt haben, Waren verkauft.
Außerdem sieht die Übernahme wie ein Schnäppchen für das Unternehmen aus – Ende Juni verfügte Amazon über Cash in Höhe von 61 Milliarden Dollar. Der Übernahmepreis von 1,7 Milliarden Dollar entspricht einem Aufschlag von 22 Prozent auf iRobots Aktienkurs vor der Ankündigung des Deals. Vor nicht einmal einem Jahr wurde iRobot noch mit 2,5 Milliarden Dollar bewertet. Und die Kapitalkosten des Übernahmeziels werden sich leicht decken lassen. Der voraussichtliche Gewinn des Unternehmens wird im nächsten Jahr zwar nur etwa 78 Millionen Dollar betragen und es hat auch Vertriebs-, Marketing- und Verwaltungskosten in Höhe von 389 Millionen Dollar; doch Amazon kann diese Kosten sicherlich senken, indem es die Produkte über seine bestehenden Vertriebskanäle vertreibt.
Amazon ist natürlich nicht das einzige Unternehmen, das eine Karte Ihres Hauses erstellen will. Auch Apple hat im Juni ein Tool namens „RoomPlan“ für die nächste Version seines iOS-Betriebssystems vorgestellt. Es nutzt den Laserscanner der neuesten iPhones, um 3D-Modelle zu erstellen.
Durch die Übernahme der Supermarktkette Whole Foods 2017 erhielt Amazon Einblicke in die Lebensmittelbranche. Die im letzten Monat angekündigte 3,5-Milliarden-Dollar-Übernahme von One Medical liefert wiederum eine Vielzahl an Daten aus dem Gesundheitswesen. Und jetzt kann iRobot Jeff Bezos & Co auch noch zeigen, was sich in Ihrem Haus befindet.
Hinweis auf Interessenkonflikte:
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Apple.