Durch den Compliance-Bericht der Anwalts-Kanzlei Rajah & Tann, der in der letzten Woche in Auszügen veröffentlich wurde, sieht die Wirecard AG die Vorwürfe der Financial Times (FT) entkräftet. Doch beinahe täglich tauchen neue Fragen auf. Heute: Eine Klage wegen einer umstrittenen Übernahme in Indien. Das hat erneut Auswirkungen auf den Kurs.
Die Übernahme des Unternehmens Hermes I Tickets als Teil des Payment-Geschäfts der GI Retail Group durch Wirecard im Jahr 2015 hat bereits in der Vergangenheit für Schlagzeilen gesorgt und beschäftigt nun auch ein Gericht in Indien. Der frühere Besitzer GI Retail klagt und will, dass Wirecard weitere Details der Transaktion offenlegt, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg am Dienstag meldet.
Laut einer Pressemitteilung vom 27. Oktober 2015 hat Wirecard das Online-Payment-Geschäft (Hermes) von GI Retail damals für insgesamt 340 Millionen Euro übernommen – rund 230 Millionen Euro fix plus bis zu 110 Millionen Euro bei Erreichen bestimmter Zielvorgaben. Bei GI Retail sei allerdings nur ein Bruchteil des öffentlich kommunizierten Kaufpreises angekommen.
Die Minderheitsaktionäre von Hermes hatten deswegen bereits in London gegen die Brüder Ramu and Palaniyapan Ramasamy, denen GI Retail mehrheitlich gehört, geklagt – sie sehen sich geprellt, denn ihre Auszahlung basierte auf einem Übernahmepreis von 40 Millionen Dollar. Nun klagen diese wiederum gegen Wirecard – und greifen dabei offenbar Vorwürfe aus dem SIRF-Report des Finanz-Journalisten Roddy Boyd auf.
Dieser hatte bereits im Januar 2018 den Verdacht geäußert, dass ein Großteil des Kaufpreises im Zuge der Transaktion bei einem Mittelsmann – dem Emerging Markets Investment Fund 1A mit Sitz auf Mauritius – versickert sein könnte. Mitte März wurde bekannt, dass die Behörden in Singapur im Zuge ihrer Ermittlungen wegen möglicher Straftaten von Wirecard-Mitarbeitern in der dortigen Asien-Niederlassung auch die Hermes-Übernahme unter die Lupe nehmen.
Wirecard gibt sich gelassen
Eine Wirecard-Sprecherin erklärte gegenüber Bloomberg, dass die Klage auf einen Streit zwischen den früheren Anteilseignern von GI Retail zurückgehe. „Basierend auf unserer vorläufigen Überprüfung gehen wir fest davon aus, dass die Klage gegenstandslos ist und eingereicht wurde, um die Verteidigung des Klägers im Prozess gegen seine früheren Partner zu stärken“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Zweifel an der Transaktion in Indien seien bereits mehrfach durch externe Prüfungen widerlegt worden, hieß es in früheren Erklärungen seitens des Unternehmens.
Tatsächlich wirft das Timing von GI Retail Fragen auf. Dass den früheren Mehrheitsaktionären erst dreieinhalb Jahre nach der Übernahme auffällt, dass sie nur einen Bruchteil des öffentlich kommunizierten Kaufpreises von bis zu 340 Millionen Euro erhalten haben, erscheint doch recht unwahrscheinlich.
Aktie beobachten
Auch wenn die Klage an den Haaren herbeigezogen scheint, bleibt das Asien-Geschäft von Wirecard in den Schlagzeilen. Trotz positiver operativer News kommt die Erholung der Aktie kurzfristig nicht weiter voran. DER AKTIONÄR bleibt an der Seitenlinie.