Ein unschuldiges Baby strahlt von der Startseite des eCommerce-Shops Windeln.de. Als Aktionär möchte man die frische Internetaktie im ersten Moment direkt ins Herz schließen. Doch Vorsicht. Der zweite Blick zeigt: Hinter dem IPO von Windeln.de stehen Banken wie Goldman Sachs oder Deutsche Bank, die nicht kuscheln, sondern am IPO vor allem verdienen wollen. So haben sich die Großbanken zuletzt Anfang 2015 in einer Kapitalrunde selbst an Windeln.de beteiligt. Kurz vor dem IPO hielten Deutsche Bank elf und Goldman Sachs 13 Prozent der Aktien.
Erst jetzt dürfen auch Kleinanleger einsteigen und Aktien im Zuge der Erstemission zeichnen. Interesse weckt die hohe Dynamik der letzten Jahre. Auch im ersten Quartal ist Windeln.de mit knapp 87 Prozent stark gewachsen. Überraschend: Mehr als die Hälfte des Umsatzes erzielt Windeln.de in China! Denn seit 2008 chinesische Babymilchprodukte mit stickstoffhaltigen Kunstharzgrundstoffen gestreckt wurden, was zu Todesfällen führte, vertrauen viele Chinesen nur noch auf europäisches Milchpulver. Windeln.de hat darauf reagiert und mittlerweile sogar eine Internetseite in chinesischer Sprache im Netz.
Geld verdient Windeln.de jedoch noch keines. Die Rohmarge lag zuletzt bei 23 Prozent. Zum Vergleich: Der Schuhversender Zalando erzielte 2014 eine Rohmarge von immerhin 43 Prozent. Finanzvorstand Nikolaus Weinberger weist im Gespräch mit dem AKTIONÄR darauf hin, dass das Geschäftsmodell auch Vorteile hat: „Wir haben nur eine geringe Saisonalität. Auch unsere Marketingkosten und Retourenquoten mit unter sechs Prozent sind relativ gering.“ Der CFO sieht „erhebliches Wachstumspotenzial.“
Das Problem ist die hohe Bewertung. Selbst wenn Windeln.de seine Wachstumsrate aus dem ersten Quartal halten könnte, läge das 2015er-Kurs-Umsatz-Verhältnis am unteren Ende der Preisspanne mit 2,2 rund 20 Prozent über dem der (profitableren) Zalando.
Offene Fragen sind: Wie lange geht der Chinaboom weiter und wie gefährlich sind Konkurrenten wie Amazon?
Erst stolpern, dann laufen
Willkommen, Windeln.de! Doch die ersten Gehversuche der „Baby-Aktie“ werden schwierig. Es dürfte einige Zeit vergehen, bis die zu teuere Aktie anfängt, richtig zu laufen. Nicht kaufen!
(Dieser Artikel ist in der AKTIONÄR-Ausgabe 19/2015 erschienen)