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Twitter, Elon Musk und eine Frage der Macht

Twitter, Elon Musk und eine Frage der Macht
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28.04.2022 ‧ Leon Müller

Elon Musk kauft Twitter. Jan Böhmermann nennt ihn, der sein Geld erst mit Paypal und dann mit Tesla gemacht hat und heute mit einem Vermögen von rund 250 Milliarden Dollar gemäß der Bloomberg Billionaires List der mit Abstand reichste Mann der Welt ist, schlicht und wenig ergreifend einen „reichen Wichser“. 

Nun, wessen Horizont allenfalls bis zur Nasenspitze reicht, von dem kann man Anstand nicht erwarten, sondern allenfalls – wie in diesem Fall – niveaulose Beleidigungen. Doch der Möchtegern-ZDF-Satiriker ist in seiner geistigen Umnachtung keineswegs allein. Vielmehr finden sich nicht wenige, die sich an dem Vorgang nicht nur stören, sondern insbesondere in dem Menschen Musk selbst das personifizierte Böse vermuten. Denn auch andere pöbeln, beleidigen oder ziehen – weitaus perfider noch – in diesen Tagen mit Vergnügen schiefe Vergleiche, um Elon Musk zu diskreditieren. Das ebenfalls im öffentlich-rechtlichen Rundfunk beheimatete Magazinformat „quer“ etwa rechnet vor, was Musk mit dem vielen Geld alles hätte machen können. Etwa das Gehalt für eine Million Pflegekräfte zahlen – ein Jahr lang. Was das eine mit dem anderen zu tun hat, es bleibt mir ein Rätsel. Und wäre für sich genommen auch egal oder bestenfalls humoristisch. So aber bleibt es Nonsens.

Diskutieren Sie mit. Wie denken Sie über den Schritt von Elon Musk, Twitter nicht nur zu übernehmen, sondern von der Börse zu nehmen?

Natürlich kann man darüber streiten, ob es im Sinne der Meinungsfreiheit sinnvoll ist, dass ein einzelner Mensch eine Plattform wie Twitter besitzt. Das ist der Kern der Meinungsfreiheit, dass man darüber spricht, Entwicklungen hinterfragt. Immerhin beabsichtigt Elon Musk die Privatisierung des insbesondere bei Politikern, Unternehmern und Medienschaffenden beliebten Kurznachrichtendienstes. Doch wem nützt es, wenn man ihn verteufelt? Ich sehe darin eine Vereinfachung, wie wir sie immer häufiger beobachten können. Durch scheinbare Simplifizierung wird der Fokus weggelenkt von absolut komplexen Fragestellungen. Indem man Elon Musk zur Unperson erklärt – ich erinnere (ungern) an die Worte Böhmermanns –, überspielt man die Problematik der Unterdrückung anderslautender Meinungen. Aktuell ist es den Plattformbetreibern überlassen, bestimmte Inhalte auszublenden. So sollen sie beispielsweise darauf achten, dass hetzerische wie rassistische Beiträge, Beleidigungen und ähnliche Hass-Nachrichten bestenfalls gar nicht mehr gezeigt werden. Auch wer lügt, riskiert unsichtbar zu werden. Donald Trump ist das wohl prominenteste Beispiel für den Ausschluss einer Persona non grata. Ob gerechtfertigt oder nicht, darüber hat nicht etwa ein Gericht entschieden, sondern ein Plattformbetreiber, nämlich Twitter. Das ist Ausdruck eines gewaltigen Problems: Wir als Gesellschaft überlassen immer mehr zentrale Fragen – etwa welche Äußerungen strafrechtlich von staatlichen Organisationen verfolgt werden – privaten Unternehmen wie Twitter oder Facebook. Wenn wir uns dann noch darüber echauffieren, wem diese Plattformen gehören, machen wir uns nicht selbst lächerlich? Ist die Frage wichtiger, wem eine Plattform gehört? Oder ist es nicht vielmehr relevant, wer die Plattform nutzt? Denn darüber kann jeder selbst entscheiden. Mit einem einfachen Log-in. Oder indem er fernbleibt. Die Macht, sie liegt ob mit oder ohne Elon Musk, immer noch bei den Nutzern.

Dieses Editorial ist in DER AKTIONÄR Nr. 18/2022 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.

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