TUI-Chef Fritz Joussen richtet die Kunden und Mitarbeiter des weltgrößten Touristikkonzerns auf möglicherweise länger anhaltende Folgen der Coronakrise ein. "Wir waren sehr stark gestartet ins Jahr. Dieser Vorsprung schmilzt im Augenblick ab", sagte der Manager am Rande einer Konferenz in Hannover. Derzeit sei die Zurückhaltung sehr hoch.
"Und das wird sicherlich auch noch einige Wochen so bleiben." Nach dem Plus von 14 Prozent bei den Sommerbuchungen und der Erwartung eines "Boom-Jahres" nach der Insolvenz des Rivalen Thomas Cook sehe man die Lage heute mit gemischten Gefühlen: "Wie das Jahr wird, wissen wir nicht."
Der Vorstandschef betonte, man müsse einzelne Geschäftsbereiche unterscheiden. "Es sind Zweige besonders betroffen, wo kurzfristige Entscheidungen getroffen werden. Insofern sind wir weniger betroffen als Fluggesellschaften, die im Linienflug sind." Etliche Kunden würden wohl an mittelfristig orientierten Urlaubsplänen festhalten. Der Konzern könne Rückgänge im Asien-Geschäft derzeit zudem etwa durch Ziele in der Karibik oder im Mittelmeerraum abfedern.
"Sensible Kreuzfahrtsparte"
Ein besonderes Augenmerk liege auf der "besonders sensiblen" Kreuzfahrtsparte, sagte Joussen. Andererseits seien die Buchungszyklen auch hier relativ lang. Man habe gerade ein Schiff aus Fernost zurückgeholt, "weil gewisse Häfen für deutsche Kunden das nicht akzeptieren wollten". Aber dies sei bisher ein Einzelfall.
Die Coronakrise zwinge "selbstverständlich" zu Sparmaßnahmen. "In so einer Krise ist es wichtig, das Geld zusammenzuhalten", erklärte Joussen. "Es ist schon so, dass wir Investitionen, die wir geplant hatten, zurückstellen. Es ist schon so, dass wir versuchen, wo immer Flexibilität im System ist, die Kapazität etwas herunterzunehmen." In Bereichen mit hohen Fixkosten wie den Flugzeugen von Tuifly gebe es Unsicherheit: "Wenn die leer sind, ist das Risiko schon sehr groß."
"Wir sind nicht unerfahren"
Allgemein werde TUI das aber gut verkraften, schätzt Joussen. "Wir sind nicht unerfahren im Management von Krisen", meinte er mit Blick auf die Weltwirtschaftskrise 2009, Flugbeschränkungen durch Vulkan-Aschewolken oder die frühere Ausbreitung des Sars-Virus. Die Mitarbeiter spüren aber den Einfluss. "Der Druck ist natürlich da."
Die bisher diskutierten Staatshilfen gegen die Coronakrise sieht Joussen als wichtige Übergangslösung. Flexible Möglichkeiten halte er "für sehr wichtig". Bei schwerwiegenden Eingriffen wegen Gesundheitsrisiken müssten Behörden und Politik die Belange der Wirtschaft aber im Auge behalten. "Wenn Sie Messen absagen, wenn Sie Häfen zumachen, wenn Sie gewisse Gebiete unter Quarantäne stellen, ist es wichtig, dass man das verhältnismäßig macht."
737-Max-Comeback noch 2020?
Schwierig bleibt für Tui auch das Flugverbot für den Unglücksflieger Boeing 737 Max. Man sei mit dem US-Hersteller in Kontakt. "Wir gucken, wann die Zulassung wieder läuft", sagte Joussen. "Es sieht so aus, dass sie irgendwann kommen wird dieses Jahr." Verglichen mit den Herausforderungen durch das neue Coronavirus sei der Verzicht auf die Flugzeuge derzeit aber nachrangig: "Dass wir jetzt ein paar weniger Boeing-Maschinen haben, ist möglicherweise das kleine Problem.
Auch DER AKTIONÄR geht davon aus, dass TUI diese schwierige Phase meistern wird. Die mittel- bis langfristigen Aussichten für den europäischen Marktführer bleiben gut. Dennoch drängt ein Einstieg aufgrund der aktuellen Gemengelage vorerst nicht auf. Anleger sollten den Blue Chip aber auf ihrer Watchlist belassen.
Mit Material von dpa-AFX