Der Industriekonzern Thyssenkrupp stellt seinen Vorstand neu auf: So wurde ein Nachfolger für den scheidenden Finanzvorstand Klaus Keysberg gefunden. Zudem kann der neue Konzernchef Miguel López künftig mit einem größeren Vorstandsteam arbeiten, welches mehr operative Verantwortung erhält. Die Aktie reagiert am Donnerstag mit einem leichten Minus.
Damit dürfte die bisherige Holding-Strategie zurückgedreht werden. Kritik kam von der Gewerkschaft IG Metall. Bei der Entscheidung des Aufsichtsrates kam es zu einem Novum – zum ersten Mal setzte sich die Eigentümerseite über die Stimmen der Arbeitnehmerseite hinweg.
Analyst Christian Obst von der Baader Bank schrieb, dass ein Vorstandsteam mit fünf Mitgliedern für einen Konzern in der Größe von Thyssenkrupp zwar sinnvoll sei – ein „Arbeiten“ gegen die Gewerkschaft vereinfache jedoch nicht gerade Entscheidungen zur Steigerung der Profitabilität oder zur Konzernstruktur.
Neue Personalien
Der Aufsichtsrat des Konzerns bestellte am Mittwochabend Jens Schulte zum neuen Finanzchef. Schulte hat das Amt zurzeit bei der Schott AG inne. Der Wechsel soll voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres erfolgen, teilte das Unternehmen in Essen mit. Keysberg hatte bereits im September angekündigt, seinen Vertrag nicht verlängern zu wollen.
Zudem erweitert Thyssenkrupp seinen bislang aus drei Mitgliedern bestehenden Vorstand. Volkmar Dinstuhl, zuletzt Chef des inzwischen aufgelösten Segments Multi Tracks und zuständig für Zu- und Verkaufsprojekte werde ebenso zum 1. Januar in den Vorstand berufen wie Ilse Henne. Die Managerin ist derzeit im Vorstand der Handelssparte. Alle neuen Verträge liefen über drei Jahre.
Scharfe Kritik der IG Metall
Die Arbeitnehmervertreter kritisierten die Erweiterung des Vorstands scharf. Zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens seien Vorstände trotz der geschlossenen Ablehnung der Arbeitnehmerseite bestellt worden, hieß es in einer von der IG Metall veröffentlichten Mitteilung.
Wie Thyssenkrupp weiter mitteilte, soll mit der Bestellung der Vorstand stärker auf die operative Leistung sowie auf die Weiterentwicklung des Portfolios ausgerichtet werden. Bislang hatte das Gremium die drei Querschnittsfunktionen Strategie, Personal und Finanzen abgedeckt. Mit der Neuausrichtung sollen auch die Sparten von Thyssenkrupp künftig einzelnen Vorstandsmitgliedern zugeordnet werden. Beim neuen Chef Miguel López liegen das Stahlgeschäft sowie die neue Sparte Decarbon Technologies, bei Dinstuhl Automotive Technology, bei Henne das Handelsgeschäft sowie Marine Systems bei Personalvorstand Oliver Burkhard.
Die Arbeitnehmerseite sprach in ihrer Mitteilung von einem „Kulturbruch in der Mitbestimmung“ und einer „Zäsur“. Die Anteilseigner und der neue Chef López hätten mit der bewährten Mitbestimmungspraxis bei Thyssenkrupp gebrochen. Dies werde Spuren hinterlassen und dem bislang ausgewogenen und konstruktiven Dialog im Aufsichtsrat dauerhaft Schaden zufügen. Der Alleingang gegen die komplette Arbeitnehmerbank zeige, dass die Anteilseigner kein Interesse mehr an einem belastbaren Miteinander hätten.
Die Arbeitnehmerseite kritisiert vor allem, dass die Erweiterung des Vorstandes den laufenden Sparprogrammen widerspreche. „Auch ein Dutzend Vorstände wird dieses Unternehmen nicht gegen die eigenen Mitarbeitenden führen können. Wasser predigen und Wein trinken wird nicht zum Erfolg führen“, hieß es.
Es bleibt unruhig bei Thyssenkrupp. Bei kaum einem Konzern sind die Arbeitnehmer derart mächtig wie beim MDAX-Konzern. Offen bleibt vor allem, wie es um die Zukunft der Stahlsparte steht. Inzwischen bewegt sich die Aktie seit einigen Monaten seitwärts. Die Bewertung bleibt zwar günstig, doch erst der Ausbruch über 7,50 Euro würde neue Impulse freisetzen.
Mit Material von dpa-AFX
Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Thyssenkrupp.