Thomas Cook steht am Abgrund. Der britische Reisekonzern treibt seine Rettungspläne voran, muss aber gleichzeitig eingestehen, mehr Kapital zu benötigen als ursprünglich angekündigt. Das stellt alle vor eine harte Probe. Am stärksten leiden die Aktionäre des TUI-Wettbewerbers. Die Aktie verliert zu Beginn der neuen Woche im Londoner Handel über ein Fünftel ihres Wertes.
Der kriselnde Reisekonzern Thomas Cook treibt die Pläne für seine Rettung voran. Die faktische Übernahme durch den chinesischen Fosun-Konzern und die Banken samt 750 Millionen Pfund an frischem Geld solle Anfang Oktober umgesetzt werden, teilte Europas zweitgrößter Reiseveranstalter mit Marken wie Neckermann Reisen und dem deutschen Ferienflieger Condor am Montag in London mit. Außerdem sollen die Anleihegläubiger jetzt zusätzlich 150 Millionen Pfund zuschießen.
Seit der Vorstellung des Sanierungsplans Mitte Juli ist geplant, dass der chinesische Mischkonzern Fosun und die beteiligten Banken Thomas Cook mit frischem Geld unterstützen. Zudem soll ein Großteil der Bankkredite und Anleihen des Konzerns in Eigenkapital umgewandelt werden. Fosun, die Banken und die Anleihegläubiger würden damit zu den wichtigsten Aktionären. Bereits im Jahr 2012 hatten Banken den Reisekonzern vor dem drohenden Untergang gerettet.
Der Konzern habe bei den Verhandlungen deutliche Fortschritte gemacht, teilte Thomas Cook mit. Dies gelte für die Gespräche mit Fosun, den Banken sowie Gläubigern von rund 50 Prozent der erstrangigen Thomas-Cook-Anleihen, die in den Jahren 2022 und 2023 zur Rückzahlung anstehen. Im Gespräch mit den Anleihegläubigern will Thomas Cook jetzt erreichen, dass diese ihre Papiere nicht nur wie vorgesehen in Eigenkapital tauschen - sondern auch weiteres Geld zuschießen.
Der Konzern sitzt auf einem Schuldenberg in Milliardenhöhe und ächzt unter der hohen Zinslast. Der jüngste Preiskampf im Reise- und Fluggeschäft droht ihm den Garaus zu machen. Hinzu kommt die anhaltende Unsicherheit rund um den Brexit, die die Urlaubsfreude der britischen Kundschaft dämpft. Das Sommerhalbjahr bis Ende September werde deutlich schwächer als 2018, hatte Konzernchef Peter Fankhauser Mitte Juli erklärt. Jetzt braucht der Konzern dringend Geld, um über den saisonbedingt reise- und einnahmeschwachen Winter zu kommen und in Digitalisierung und eigene Hotels zu investieren.
Die Thomas-Cook-Aktie reagierte mit einem weiteren Kursrutsch auf die Nachrichten. Am Montagmorgen ging es zeitweise um mehr als ein Drittel abwärts. Zuletzt lag der Kurs noch mit 17,92 Prozent im Minus bei 7,904 britischen Pence. Seit einem Jahr hat die Aktie rund 90 Prozent ihres Werts verloren, Mitte Juli wurde sie sogar für 4,30 Pence gehandelt.
Nachdem der Konzern im Mai 2018 an der Börse noch mit insgesamt rund 2,2 Milliarden Pfund bewertet worden war, lag die Marktkapitalisierung zuletzt noch bei 121 Millionen Pfund. Zum Vergleich: Der wichtigste Konkurrent Tui kommt trotz herber Kursverluste in den vergangenen Monaten auf 4,8 Milliarden Pfund.
Die Fosun-Gruppe hält bereits 18 Prozent an Thomas Cook und würde im Gegenzug zu Kapitalspritze und Schuldenabbau die Mehrheit an der Reisesparte der Briten erlangen. Die Airline-Gruppe einschließlich der deutschen Tochter Condor würde zuvor abgespalten. Fosun würde hier nur einen signifikanten Minderheitsanteil übernehmen, damit die Airlines nicht ihre europäischen Flugrechte verlieren.
Die Minderheitsanteile am Reisegeschäft und die Mehrheit an der Airline-Sparte gingen weitgehend an die Banken und die Anleihegläubiger. Für die restlichen Aktionäre von Thomas Cook bliebe nur noch ein Bruchteil an dem Konzern. Nach bisherigen Berechnungen würde ihre Beteiligung von 100 Prozent auf etwa 5 Prozent verwässert. Die nun geplante zusätzliche Kapitalspritze im Tausch gegen Anteile würde diesen Effekt noch verstärken.
Allerdings haben Investoren in den vergangenen Wochen bei Thomas-Cook-Aktien zugeschlagen. So hat der türkische Tourismus-Unternehmer Neset Kockar, Gründer der Anex Tourism Group, rund acht Prozent der Anteile gekauft. Er will eine Position erreichen, in der er bei der Rettung von Europas zweitgrößtem Reisekonzern mitreden kann. Die Probleme des Konzerns sieht er nicht nur auf der finanziellen Seite, sondern auch bei der strategischen Ausrichtung, wie er vergangene Woche der Nachrichtenagentur Bloomberg sagte. Er sprach sich auch dagegen aus, die Airlines vom Veranstaltergeschäft zu trennen.
Thomas Cook gilt als Erfinder der Pauschalreise. Der Baptistenprediger Thomas Cook brachte im Juli 1841 rund 500 Reisende per Bahn vom britischen Leicester zu einem Treffen nach Loughborough. Im Jahr 2001 übernahm die deutsche C&N Touristic aus Neckermann Reisen und Condor den britischen Veranstalter Thomas Cook und nahm selbst dessen Namen an.
DER AKTIONÄR rät weiterhin klar vom Kauf der Thomas-Cook-Aktie ab.
Mit Material von dpa-AFX