Die Aktionäre von Stratec Biomedical waren in den vergangenen Jahren von einer stetig soliden Entwicklung verwöhnt. Im Frühjahr dieses Jahres mussten sie allerdings einen Rückschlag einstecken. Die Aktie geriet deutlich unter Druck, nachdem das Unternehmen die Umsatzprognose wegen des schwächeren China-Geschäfts zurücknehmen musste. Mittlerweile hat sich die Lage aber wieder beruhigt. DER AKTIONÄR sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden Marcus Wolfinger über die weitere Entwicklung des Unternehmens.
Herr Wolfinger, STRATEC hat im ersten Halbjahr mehrfach durch Meldungen aufhorchen lassen. Nach einem verhaltenen ersten Quartal 2016 und zwei erfolgreich durchgeführten Unternehmensakquisitionen stellt sich die Frage, wie das zukünftige Wachstum aussehen wird?
Marcus Wolfinger: Wir bereiten in Zusammenarbeit mit unseren Partnern in den kommenden Quartalen mehrere Produkteinführungen vor. Daneben ist unsere Entwicklungspipeline sehr gut gefüllt, wodurch sich in den kommenden Jahren weiteres Wachstum ableiten lässt. Wir sind außerdem für mehrere vielversprechende Neuprojekte in fortgeschrittenen Verhandlungen.
Durch die Übernahmen von Diatron und Sony DADC BioSciences ist es uns gelungen, zwei Wunschakquisitionen zu verwirklichen, die uns weitere mittel- und langfristige Wachstumsmöglichkeiten bieten.
Was versprechen Sie sich von diesen Akquisitionen konkret? Sind weitere Übernahmen geplant?
Durch die Übernahme von Diatron ist es uns gelungen, mit der Hämatologie ein bisher nicht durch uns abgedecktes Geschäftsfeld der klinischen Diagnostik zu erschließen. Hierdurch wird nicht nur unsere Angebotspalette optimal ergänzt, wir erweitern dadurch gleichzeitig unsere Kompetenzen in der Entwicklung von Systemlösungen im niedrigeren Durchsatzbereichen deutlich.
Sony DADC BioSciences, jetzt STRATEC Consumables, entwickelt und produziert intelligente Verbrauchsmaterialien, sogenannte „Smart Consumables“. Das Unternehmen ist in diesem noch jungen Markt weltweit führend und verfügt über umfassende Kenntnisse und Fähigkeiten in der Nano- und Mikrostrukturierung, in verschiedenen Beschichtungstechnologien, in polymerwissenschaftlichen Anwendungen und der automatisierten Fertigung. Wir haben bereits bei einigen Entwicklungsprojekten zusammengearbeitet und sind überzeugt von der Kompetenz des Teams vor Ort und den hervorragenden Wachstumsmöglichkeiten.
Durch die Akquisition sind wir nun in der Lage unseren Kunden Produkte und Leistungen einer deutlich erweiterten Wertschöpfungskette aus einer Hand anzubieten. Das Integrationsrisiko von Verbrauchsmaterialien und Gerät wird dadurch erheblich reduziert. Aus Kundensicht reduzieren sich die Anzahl der Ansprechpartner, die Komplexität des Entwicklungs- und Produktionsprozesses sowie die damit verbundenen Risiken deutlich.
Sie haben Ihre gut gefüllte Entwicklungspipeline angesprochen. Wann ist konkret mit der Markteinführung neuer Systeme zu rechnen?
Bis zum Jahr 2018 rechnen wir inklusive Diatron mit elf Markteinführungen neuer Systeme, eine Vielzahl durch Partner aus den Top 15 der In-Vitro-Diagnostik.
Ab dem kommenden Jahr sollen eigene Plattformlösungen für weiteres Wachstum sorgen. Was steckt genau dahinter? Und was kann man hiervon erwarten?
Eine Plattform ist ein – bis zu einem bestimmten Punkt – von STRATEC eigenentwickeltes System, welches dann in der nächsten Phase an die spezifischen Bedürfnisse und das Corporate Design der Kunden angepasst wird. Wir haben bereits in der Vergangenheit Plattformen etabliert und arbeiten nun an zwei weiteren Plattformen für technologisch vielversprechende Bereiche. Mit der Plattformstrategie reduzieren wir nicht nur unsere Kostenbasis und die Entwicklungszeiten, gleichzeitig erschließen wir uns auch neue Kundengruppen und können uns so weiter diversifizieren. Dabei werden auch bereits aussichtsreiche Gespräche mit Kunden geführt.
Wo sehen Sie Stratec in fünf Jahren?
Dem starken Wachstum der letzten zwei Jahrzehnte liegt die Entwicklung und Produktion zahlreicher bedeutender Systeme zugrunde, die sich nicht zuletzt auch in einer Installationsbasis von deutlich mehr als 10.000 Analysensystemen für zahlreiche weltmarktführende Diagnostikunternehmen widerspiegelt. Durch die langjährigen partnerschaftlichen Kundenbeziehungen und nicht zuletzt durch die erfolgten Übernahmen eröffnen sich zahlreiche Wachstumsmöglichkeiten. Durch die fortlaufend neu hinzukommenden Projekte vergrößert sich die Basis regelmäßig wiederkehrender Umsätze bei gleichzeitiger Diversifizierung des Kundenportfolios.
Vergleichbar mit Bosch als innovativer Zulieferer in der Automobilindustrie wollen wir in unseren Marktsegmenten noch stärker als Garant marktführender, innovativer Produkte wahrgenommen werden, wodurch es unseren Kunden ermöglicht wird, weitere Verantwortung an uns zu übertragen und sich dabei auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Für diese Möglichkeiten bereiten wir derzeit bei STRATEC das Fundament.
Herr Wolfinger, besten Dank für das Interview.
In Anbetracht der starken Aussichten dürfte die Aktie von Stratec den Anlegern in Zukunft wieder Grund zur Freude bieten. Das nächste Kursziel ist das Allzeithoch, das im Frühjahr 2016 bei 62,85 Euro markiert wurde.