Nach der Veröffentlichung der neuen Guidance ging es mit dem Kurs des Analysensystemhersteller Stratec Biomedical um zehn Prozent nach unten. Über die Gründe und die weiteren Aussichten sprach DER AKTIONÄR mit Stratec-Chef Marcus Wolfinger.
Monatelang hat sich STRATEC Biomedical, der Hersteller von diagnostischen Analysegeräten gegen die Griechenland-Baisse gestemmt. Trotz eines weiterhin geplanten zweistelligen prozentualen Wachstums in den nächsten drei Jahren ist der Kurs nach Veröffentlichung der jüngsten Guidance um mehr als zehn Prozent abgestürzt. DER AKTIONÄR hat bei Stratec-Chef Marcus Wolfinger nachgefragt, was die Aktionnäre nach dem Kursrückschlag erwarten können.
DER AKTIONÄR: Herr Wolfinger, sind Sie nach dem Kurssturz von letzter Woche jetzt enttäuscht?
STRATEC hat seine Jahresguidance noch nie zu solch einem späten Zeitpunkt veröffentlicht wie dieses Jahr. Haben die Zulassungen der einzelnen Systeme wirklich einen so starken Einfluss auf die Entwicklung in 2012?
Seit einiger Zeit beobachten wir eine grundsätzlich etwas längere Zulassungsdauer der entsprechenden Behörden, nicht nur bei medzintechnischen Produkten. Betrachtet man ein spezifisches Geschäftsjahr können solche Verzögerungen einen Unterschied von fünf bis zehn Prozent des Jahresumsatzes ausmachen. Wir wollten daher keine Guidance veröffentlichen, die mit einer 20-prozentigen Bandbreite unseres Umsatzkorridors unseren Investoren keine realistische Beurteilung ermöglicht. Daher kam die Veröffentlichung erst nach der zuletzt erfolgten Zulassung. Der Umstand dass es kurz zuvor zu einem Übernahmeangebot für einen unserer wichtigsten Kunden kam, machte unsere Planung nicht einfacher.
Was sind denn die konkreten Gründe für schwächer erwartete EBIT-Marge?
Sollte sich der Umsatz ans obere Ende des Korridors entwickeln wird auch die Marge innerhalb des Korridors entsprechend besser ausfallen, da es zu Skalierungseffekten kommt. Ich möchte aber auch erwähnen, dass eines unserer bestverkauften Systeme durch ein neu entwickeltes Nachfolgemodell ergänzt wurde. Obgleich sich das neue Modell besser verkauft als ursprünglich erwartet, wird die Marge vorübergehend noch durch die planmäßige Abschreibung der Entwicklungsleistungen belastet. Dadurch kommt es insgesamt zu einer schwächeren Durchschnittsmarge. Wichtig ist es aber weiterhin, unsere Entwicklungsteams auf das erwartete Volumen neuer Aufträge anzupassen, da wir momentan eine zuvor noch nicht gesehene Anzahl neuer Entwicklungsprojekte bearbeiten.
Welche Geräte laufen denn derzeit besonders gut?
Wir können aus Vertragsgründen nicht die Umsätze mit einzelnen Kunden bzw. deren Systemen kommentieren. Wir sehen aber bei unseren vier umsatzstärksten Partnern Siemens, Diasorin, Immucor und Gen-Probe Umsatzzuwächse, die im Wesentlichen daraus herzuleiten sind, dass diese neue Systeme in Ländern platzieren, die momentan ihr Gesundheitssystem auf- oder ausbauen und sie sich somit neu entstehende Kundenaccounts sichern. Ein mittel- bis langfristiger Schachzug, der sich für unsere Partner auszahlen sollte. Darüber hinaus ist die erfolgte Zulassung des Panthers für Gen-Probe ein vielbeachteter Anlass innerhalb unserer Industrie.
Versierten STRATEC-Kennern ist bekannt, dass die Mehrjahresverträge mit Ihren Abnehmern immer komplexer werden. Worauf ist das zurückzuführen, dass die Zeiträume zwischen der Ankündigung neuer Verträge und tatsächlicher Unterschrift immer länger werden?
Während wir es früher im Wesentlichen mit kleineren Kunden zu tun hatten, handelt es sich bei den heutigen Vertragsverhandlungen zu einem großen Teil um weltweit führende Diagnostikunternehmen mit den entsprechenden Unternehmensstrukturen. Da ist es keine Seltenheit, dass es von der grundsätzlichen Zustimmung bis zur Vertragsunterschrift durch alle beteiligten Abteilungen 18 bis 24 Monate vergehen.
Sie haben für das laufende Jahr mehrere neue Abschlüsse angekündigt. Wie viel werden es denn realistischer Weise werden?
Wir haben in den letzten Monaten bereits einige kleinere Verträge, insbesondere durch unsere Tochterunternehmen unterzeichnet, die zwar im Gesamtvolumen der STRATEC-Gruppe kaum Auswirkungen zeigen, die aber oftmals als Türöffner für Nachfolgeprojekte, auch für andere Unternehmensteile, dienen. Weiter führen wir aussichtsreiche Gespräche und sind optimistisch auch in diesem Jahr wieder bedeutende Aufträge melden zu können. Eine genaue Anzahl vorherzusagen, wäre aber aus den zuvor genannten Gründen reine Spekulation.
Und wie sieht es mit neuen Marktlaunches durch ihre Kunden aus?
Unsere Entwicklungspipeline ist momentan bis ins Jahr 2014 prall gefüllt. Daher werden über die kommenden 24 Monate etwa 5 neue Systeme und weitere Derivate bereits gelaunchter Systeme auf den Markt kommen. Die Verträge die wir zur Zeit verhandeln, würden weitere Launches ab 2015 ermöglichen.
Wird STRATEC, wenn demnächst neue Großaufträge realisiert werden können, wieder in Kapazitätserweiterungen investieren müssen?
Wir haben in 2010 zwei neue Gebäude bezogen, mit denen wir Raum für das geplante Wachstum geschaffen haben. Daher investieren wir momentan in den Ausbau unserer Entwicklungsteams, was sich in den laufenden Kosten niederschlägt. Wir haben aber entsprechende Planungen und Optionen für den Kauf weiterer Grundstücke an unseren Standorten, um kurzfristig auf entsprechende Neuverträge reagieren zu können.
STRATEC hat sich in den letzten zehn Jahren von einem Unternehmen mit einer Marketcap von acht Millionen Euro mehr als vervierzigfacht. Sie haben mit einer Reihe von Optionsprogrammen von den Kurszuwächsen profitiert. Was treibt Sie jeden Tag an, wenn Sie in die Firma gehen und bis wohin wollen Sie STRATEC bis zum Ende Ihrer Vertragslaufzeit noch führen?
Es wäre etwas kurzsichtig, nach Vertragslaufzeiten zu planen. Ich sehe für STRATEC die Chance in einer historischen Phase, in der die weltweit führenden Diagnostikunternehmen ihre Automatisierungslösungen zunehmend outsourcen, als einer der marktführenden Outsourcingpartner daran überproportional zu partizipieren und sich als erste Adresse im Markt zu etablieren. Es ist unser Ziel, STRATEC dauerhaft zu einem der bedeutendsten Zulieferer der Diagnostikindustrie zu machen. An dieser Entwicklung teilzuhaben und diese Herausforderung in die Tat umzusetzen ist für uns alle und für mich persönlich ein besonderer Ansporn.
Herr Wolfinger, besten Dank für das Interview.