Hauptversammlungen (HV) von gesunden Unternehmen sind gewöhnlich von einer gewissen Harmonie geprägt und Tagesordnungspunkte erhalten in der Regel haushohe Zustimmungswerte. Bei der Hauptversammlung von Steinhoff kann von einer solchen Einmütigkeit keine Rede sein. Für den Steinhoff-Vorstand gab es eine richtige Klatsche. Gerät das Ziel, die Rechtstreitigkeiten in vier bis sechs Monaten zu lösen, in Gefahr?
Laut Moneyweb nahmen lediglich 13,13 Prozent der Aktionäre an der virtuellen Hauptversammlung teil. Und die brachten ihren Unmut zum Ausdruck. Besonders aufgefallen ist das bei der Abstimmung über die Zahlen für das Geschäftsjahr 2019, das bei Steinhoff am 30. September endete. In einem beispiellosen Schritt verweigerten fast 52 Prozent der teilnehmenden Steinhoff-Aktionäre die Annahme des Jahresabschlusses.
Noch mehr Gegenwind gab es bei der Abstimmung über die Einkünfte des Managements: 86 Prozent der Anleger lehnten eine Änderung der Vergütungspolitik des Führungspersonals, die sich an den Richtlinien des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches orientieren sollte, ab.
Ob alle Beteiligten mit dem vor einigen Wochen vorgeschlagenen Vergleich zufrieden sind und ob tatsächlich in den kommunizierten maximal sechs Monaten Rechtsfrieden einkehrt, darf bezweifelt werden. Zwar hat Christo Wiese, von dem die größte Einzelforderung stammt, seine Einigungsbereitschaft signalisiert. Und auch die niederländische Vereinigung van Effectenbezitters (VEB) will mitmachen, allerdings vertritt sie nur einen kleinen Teil der Kläger. Doch auch Goldman Sachs, Citigroup und Nomura wollen de facto einen Teil vom Kuchen abhaben. Diesbezüglich gebe es noch keine Lösung.
Zudem verweigert die Public Investment Corporation (PIC), Afrikas größter Vermögensverwalter und Steinhoff-Großaktionär, die Gefolgschaft. Ein PIC-Anwalt forderte im Rahmen der HV, dass zunächst eine von PWC-Wirtschaftsprüfern durchgeführte, umfassende Untersuchung über Fehlverhalten im Unternehmen veröffentlicht werden soll. Laut einer elfseitigen "Übersicht", die Steinhoff veröffentlicht hat, enthüllt sie Falschdarstellungen und Betrug durch Führungskräfte und Management. Der vollständige, 3.000 Seiten umfassende PwC-Bericht bleibt jedoch verborgen. Die Öffentlichkeit kennt also weder die ganze Dimension des Betrugs, noch weiß sie, wer alles daran beteiligt war.
Steinhoff rechtfertigt die Geheimhaltung mit dem "Legal Privilege", eine Art Geheimhaltungsrecht, das aus dem Angelsächsischen stammt, und argumentiert, dass der PwC-Bericht mit Blick auf einen möglichen Rechtsstreit eingeholt wurde.
Selbst wenn Steinhoff – was noch sehr zweifelhaft ist – einen Vergleich mit allen Beteiligten erzielen sollte, stehen immer noch 9,7 Milliarden Nettoschulden im Raum. Auch dafür müsste man im Rahmen von vermutlich langwierigen Umschuldungsverhandlungen tragfähige Lösungen erzielen.
Angesichts dieser Gemengelage ist es schwer vorstellbar, dass Steinhoff den Turn-Around schafft. Anleger meiden den Pennystock.