Wer lag noch nicht in einer lauen Sommernacht am Lagerfeuer, hat in den klaren Sternenhimmel geblickt – und sich gefragt: Sind wir allein? Oder ist irgendwo da draußen eine zweite Erde? Vielleicht wissen wir es bald: Die Europäische Weltraumorganisation ESA schaut nach! Sie startet im Jahr 2026 das Weltraum-Observatorium Plato, um Exoplaneten in der Umlaufbahn anderer Sonnensysteme aufzuspüren. Herz der Mission ist ein Satellit der Bremer OHB – CEO Marco Fuchs ist „begeistert“, diesen Auftrag zum Bau erhalten zu haben.
The World is not enough
OHB kann dank effizienter Produktion zu attraktiven Preisen anbieten und baut dabei die laut dem aggressiven Großaktionär Guy Wyser-Pratte „besten Satelliten überhaupt“. Auch der zwei Tonnen schwere Plato-Satellit wird neue Maßstäbe setzen. 26 Kameras beobachten die Hemisphäre. Das Besondere: Sie erkennen geringste Lichteinbußen im Himmel, die entstehen, wenn Planeten vor den Sternen vorbeifliegen und dabei einen Teil des Sternenlichts abdecken. Johann-Dietrich Wörner, ESA-Generaldirektor: „Wir konzentrieren uns auf erdähnliche Planeten, die bis hin zur bewohnbaren Zone um andere Sterne kreisen, die unserer Sonne ähnlich sind. Dies wird uns bei der Suche nach weiteren Erden einen großen Schritt weiterbringen.“
Volle Auftragsbücher
Der Plato-Vertragswert beträgt 288 Millionen Euro. Und die Neuaufträge für OHB reißen nicht ab. Im Oktober hat etwa Luxemburg einen hochauflösenden optischen Satelliten für 170 Millionen Euro geordert, im November Deutschland für bis zu 400 Millionen Euro. Auch für die deutsche und französische Regierung liefert OHB Aufklärungssatelliten. Ein besonders großer Teil des gigantischen Auftragspolsters sind Aufträge für das europäische Galileo-Programm, welches etwa die Navigation für Smartphones verbessert. 22 von OHB gebaute Galileo-Satelliten schweben 23.000 Kilometer hoch im All.
Die Erde ist aus dieser Perspektive ein blauer Stecknadelkopf – Probleme wie erste Gewinnwarnungen von DAX-Firmen oder Tech-Crash im Silicon Valley erscheinen von dort lächerlich klein. Auch der Satelliten-Hersteller und Raumfahrtspezialist OHB selbst schwebt über den Dingen und kann über Wolken am Konjunkturhimmel nur müde lächeln. Der Berg an Aufträgen ist mit 2,4 Milliarden Euro vier Mal so hoch wie die Marktkapitalisierung.
Zwar ist das Gros der Galileo-Mission schon abgearbeitet, doch ab 2020 werden alle drei Monate zwei weitere Satelliten, insgesamt 12, fertig. Auch danach geht der Höhenflug dank eines mittlerweile breiten Kundenstamms weiter. Marco Fuchs zeigt sich im Interview mit dem aktionär zuversichtlich, das schon enorme Auftragsniveau ab 2020 wieder zu steigern.
Wyser-Pratte will mehr
Dank der hohen Planungssicherheit könnte es relaxt und idyllisch bei OHB zugehen. Doch US-Investor Guy Wyser-Pratte will den Turbo zünden. Er interessiert sich weniger dafür, was es im Weltall zu entdecken gibt – er fragt sich täglich: Gibt es in der Bilanz oder der Welt noch mehr Gewinnpotenzial zu entdecken, wie hoch kann die Aktie von OHB noch fliegen? 2017 stieg er bei 19 Euro ein, machte dem Management Druck, katapultierte die Aktie gen Norden – und verkaufte dann zunächst einen Großteil seiner Aktien bei rund 40 Euro. Doch er ist zurück: Ab 30 Euro hat er nun wieder zugeschlagen.
Und er will mehr, mehr, mehr. Hauptkritikpunkt: OHB habe großes internationales Potenzial, was nicht vehement genug verfolgt werde. Antwort von Marco Fuchs im Sommer: Wir sind auf den europäischen Markt fokussiert und das „wird auch so bleiben“.
Die Zahlen geben OHB recht. Europa ist groß genug, stark zu wachsen: Die Gesamtleistung kletterte nach neun Monaten um 17 Prozent auf 634 Millionen Euro und der operative Gewinn um neun Prozent auf 34 Millionen Euro.
Richtig ernst nimmt Fuchs, dessen Familie die Mehrheit der Anteile kontrolliert, den Investor offenbar nicht. Gegenüber dem aktionär sagte er: „Ich würde die Korrespondenz als ‚interessant‘ bewerten, denn einige Anführungen GWPs haben wir so nicht erwartet.
Deutlich unterbewertet
Wo Guy Wyser-Pratte absolut recht hat: Angesichts des technologischen Know-hows bei gleichzeitiger Planungssicherheit ist die OHB-Aktie noch nicht zu hoch geflogen. Dem Weser-Kurier verriet der Investor, dass er auf OHB aufgrund der „besonderen Unterbewertung“ aufmerksam wurde. „Wenn die Dinge auf Kurs sind“, könne die Aktie wieder auf 50 Euro steigen.
Analysten gehen auch die nächsten Jahre von steigenden Gewinnen aus, womit das 2020er-KGV auf sehr günstige 15 sinkt. Damit liegt OHB im Peergroup-Vergleich am unteren Ende. Ganz zu schweigen vom Bewertungs-Gap zur privaten SpaceX von Elon Musk (siehe Grafik). OHB baut die Satelliten, die SpaceX-Raketen in den Umlauf bringen, hat mit der Tochter MT Aerospace jedoch auch ein Standbein im sogenannten Launch-Business.
Chance Privatkunden
Springt nur ein Funke der Mars-Magie von Musks Raketenfirma über, würde OHB in ganz andere Bewertungsregionen schweben. Auch Christoph Schlienkamp vom Bankhaus Lampe sieht im Gespräch mit dem aktionär hier eine „Schere, die sich langsam schließen sollte, wenn es OHB gelingt, künftig auch vermehrt Aufträge aus dem nicht-öffentlichen Bereich zu gewinnen, der eine bessere Marge erwarten lässt“. Bisher erhält OHB große Aufträge meist von öffentlichen Auftragsgebern. Das führt zu Zahlungssicherheit, aber auch dazu, dass die Margen im Zweifel etwas kleiner sind.
Weit weg von allen Krisen
Auf der Erde sind schwere Börsenzeiten ausgebrochen. Über diesen weltlichen Dingen schwebt OHB. Konjunktursorgen sind aus Sicht von OHB unbedeutend. Hier geht es um größere Themen: Können wir unseren Planeten besser beobachten und verstehen – oder gar für den Worst Case irgendwann einen neuen finden? Die Raumfahrt erlebt derzeit eine Renaissance und es ist schwer vorstellbar, dass der Mensch die Sehnsucht nach der Weite des Weltalls verliert. Fantasie, die der Aktie derzeit noch fehlt: Die Bewertung ist wieder erstaunlich gering, zumal das Auftragspolster vor negativen Überraschungen schützt. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis OHB von weiteren internationalen Investoren entdeckt wird. Wie viel die Aktie von OHB im Jahr 2030 kostet, steht freilich noch in den Sternen. Doch eines ist sicher: Allein als Aktionär mit leuchtenden Augen das Erkunden des Weltraums, die Suche nach neuen Planeten hautnah mitzuerleben, ist für viele Grund genug, einzusteigen und mitzufliegen.
Dieser Artikel ist in der AKTIONÄR-Ausgabe 48/2018 erschienen.