Der Kohlefaserspezialist SGL Carbon schätzt die Aussichten für 2022 dank guter Geschäfte und der Weitergabe von gestiegenen Kosten nicht mehr ganz so trüb ein. Sowohl bei Umsatz und operativem Gewinn rechnet sich der Konzern mehr aus als zu Jahresbeginn veranschlagt. Die Aktie legt rund zehn Prozent und erreicht ein neues Hoch seit Januar.
Bisher hatte sich auch das Management um Konzernchef Torsten Derr eher zurückhaltend geäußert. Hohe Energie- und Transportpreise hatten den im März veröffentlichten Ausblick spürbar verdüstert.
Die Mehrkosten für Energie und Transport zumindest zum Teil an die Kunden weiterzureichen, hatte das Unternehmen zwar auch da schon angepeilt. Offenbar funktionierte das im Umfeld hoher Teuerung aber nun besser als zuvor gedacht. Die Geschäftsentwicklung sei in allen vier Bereichen gut und gestiegene Kosten für Rohstoffe, Energie und Transport hätten „weitestgehend erfolgreich“ weitergegeben werden können, hieß es nun.
Prognose deutlich hoch
So kommt es, dass sich die Aussichten merklich aufgehellt haben. Beim bereinigten EBITDA erwartet das Management 130 bis 150 Millionen Euro statt nur im besten Fall 130 Millionen. Damit könnte SGL Carbon auch wieder den Vorjahreswert von 140 Millionen erreichen. Inklusive Abschreibungen sollen es jetzt 70 bis 90 Millionen Euro bereinigter operativer Gewinn sein, bislang standen nur 50 bis 70 Millionen im Plan.
Der Umsatz wird wohl entgegen den bisherigen Planungen nicht mehr nur auf dem Vorjahresniveau von gut einer Milliarde Euro liegen, sondern auf 1,1 Milliarden ansteigen. Beim freien Geldmittelzufluss rechnet SGL aber nach wie vor mit einem deutlichen Rückgang zum Vorjahreswert. Die mittelfristigen Ziele für das Jahr 2025 bleiben bestehen.
Trendwende braucht Zeit
Wegen des laufenden Konzernumbaus betrachtet SGL Carbon 2022 als „Stabilisierungsjahr“. Die Wiesbadener haben schwierige Zeiten hinter sich. Strukturelle Veränderungen in wichtigen Branchen wie Automobil und Luftfahrt machten dem Konzern zu schaffen. Dazu wurden 2019 Planungsfehler bekannt, und das Unternehmen musste seine mittelfristigen Ambitionen begraben.
Nach drei Verlustjahren schrieb SGL 2021 erstmals wieder schwarze Zahlen. 2020 lastete die Corona-Pandemie schwer auf den Geschäften. Im Herbst 2020 kündigte der neue Chef Derr ein umfangreiches Sparprogramm an – unter anderem sollte jede zehnte Stelle gestrichen werden. Mit dem gesamten Programm werden Ergebnisverbesserungen von über 100 Millionen Euro pro Jahr bis zum Jahr 2023 angepeilt.
SGL Carbon hat spannende Technologien für Zukunftstrends wie Elektromobilität oder Windkraft. Die langwierige Restrukturierung braucht zwar Zeit, die Bilanz ist noch immer angeschlagen. Die guten Zahlen sind jetzt aber ein starkes Zeichen. Mutige Anleger können die Aktie nun wieder in den Blick nehmen.
Mit Material von dpa-AFX