Im Zuge eines beispiellosen Korruptionsskandals sowie des Ölpreisverfalls zwischen 2014 und 2016 musste man sich ernsthaft Sorgen um die Existenz des brasilianischen Öl-Riesen Petrobras machen. Doch der Konzern hat die Kurve gekriegt. Und nun geht wieder aufwärts. Für mutige Anleger ist die Aktie sehr interessant.
Er verherrlicht die Zeiten der Militärdiktatur, ist dementsprechend für die Folter von Kriminellen beziehungsweise Verdächtigen, ist offen rassistisch und würde alle homosexuellen Menschen am liebsten verprügeln. Nein, man muss den neuen Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, nicht wirklich mögen. Doch so makaber es auch klingen mag: Rein ökonomisch betrachtet scheint die Wahl Bolsonaros für die auch durch staatliche Misswirtschaft gebeutelte brasilianische Wirtschaft zumindest bisher eine gute Nachricht zu sein. Viele Experten halten einige der von ihm angestrebten Reformen für zwingend notwendig, um das größte Land Lateinamerikas wieder auf die Erfolgsspur zu bringen. Dies lässt sich auch am brasilianischen Leitindex Bovespa ablesen, der seit September (als sich allmählich ein Wahlsieg Bolsonaros abzeichnete) satte 20 Prozent zugelegt hat.
Auch die Aktie des größten Konzerns des Landes, des Energie-Riesen Petrobras, konnte zuletzt deutlich an Wert zulegen. Und das in einer Zeit, in der sich die Ölpreise auf Talfahrt begeben haben.
Mehr Freiheiten für Petrobras
Die Anleger schöpfen derzeit einfach Hoffnung, dass der jahrelang unter der Misswirtschaft der Regierungspartei leidende Öl-Gigant in den nächsten Jahren weniger vom Staat gegängelt wird. So soll über Investitionen oder auch Sparmaßnahmen in Zukunft eher nach marktwirtschaftlichen Kriterien entschieden werden und nicht mehr, um politischen Führern zu gefallen.
Bolsonaro hatte bereits nach seiner Wahl erklärt, Petrobras nicht komplett privatisieren zu wollen. Er hatte jedoch bereits in den Raum gestellt, der Staat könne sich allerdings von weiteren Anteilen trennen. Dadurch könne man ein erstes klares Signal senden, dass der vor allem von internationalen Investoren traditionell kritisch beäugte staatliche Einfluss verringert werden soll.
Denn Petrobras leidet schon geraume Zeit unter dem starken Einfluss der Politiker. Über Jahre hinweg hatte diverse Korruptionsfälle das Unternehmen Milliarden gekostet. Darüber hinaus wird der Energie-Riese für zahlreiche politische Wohltaten missbraucht. So war es erst im Mai wieder der halbstaatliche Konzern, der im Zuge von Unruhen in den sauren Apfel beißen musste. Um streikende Lkw-Fahrer zu besänftigen, wurden die Dieselpreise an den Petrobras-Tankstellen pauschal um zehn Prozent gesenkt. Derartige Einmischungen in die Preispolitik des Unternehmens sollte es in den kommenden Jahren nicht mehr oder zumindest nicht mehr so häufig wie unter der Arbeiterpartei geben.
Die Gewinnmaschine läuft auf Hochtouren
Für Petrobras wäre ein geringerer staatlicher Einfluss voraussichtlich eine gute Nachricht. Doch natürlich bleibt mittel- bis langfristig vor allem die Höhe der Ölpreise für die zukünftige Ertragsentwicklung mit entscheidend. Zwar gerieten diese kürzlich heftig unter Druck (dazu später mehr), dennoch konnte Petrobras das gesamte Jahr hinweg mit dem Ölpreisniveau gut leben. So wird für 2018 mit einem Überschuss in Höhe von 36,4 Milliarden Brasilianischen Real (umgerechnet 8,2 Milliarden Euro) gerechnet. Für das kommende Jahr gehen Analysten bereits von 46,8 Milliarden Real und 2020 von 55,4 Milliarden Real (siehe Grafik unten) aus. Damit würde Petrobras ein wahres Kunststück gelingen. Denn zum einen glückte der bisherige Rekordüberschuss im Jahre 2010 bei noch deutlich höheren Ölpreisen. Zum anderen wäre es nur wenige Jahre nach einer existenzgefährdenden Krise. Ein klarer Beleg dafür, dass die Effizienzmaßnahmen greifen.
Die Schulden sinken kräftig
Denn in Jahren 2015 und 2016 sorgten sich viele Brasilianer um die Zukunft ihres mächtigsten und wichtigsten Unternehmens. Denn der rapide Ölpreisverfall von über 100 auf zwischenzeitlich unter 30 Dollar traf Petrobras mitten in einer Expansionsphase. Dies ist unschwer an der Entwicklung der Nettoschulden ablesbar (siehe Grafik unten), die in schwindelerregende Höhen anstiegen. Doch der neue Vorstand hat den Gürtel enger geschnallt. Neben den mittlerweile natürlich auch deutlich höheren Ölpreisen spielt Petrobras beim Schuldenabbau noch eine andere Entwicklung in die Karten: die zuletzt relativ robuste Entwicklung des Real. Denn ausgerechnet im Zuge der schwersten Krise des Unternehmens der vergangenen Jahrzehnte verlor die Landeswährung etwa gegenüber dem US-Dollar massiv an Wert. Da Petrobras hohe Schulden in US-Dollar aufgenommen hatte, verschlimmerte sich die Situation durch die Stärke des Greenbacks weiter. Nun hofft man auf eine weitere Stabilisierung der Währung.
Günstige Bewertung
Trotz der starken Kursentwicklung der vergangenen Monate ist die Petrobras-Aktie indes längst noch nicht zu teuer bewertet. So beläuft sich das KGV für das laufende Jahr auf 9. Im kommenden Jahr dürfte es dann auf nur noch 7 sinken – ein im Branchenvergleich sehr niedriger Wert.
Auch gemessen am Kurs-Buchwert-Verhältnis sind die Anteile des brasilianischen Energie-Riesen ein absolutes Schnäppchen. Denn sie notieren aktuell knapp über dem zuletzt ausgewiesenen Eigenkapital. Zum Vergleich: Andere westliche Öl- und Gasproduzenten kommen auf weitaus höhere KBVs. Natürlich ist es durchaus nachvollziehbar, dass institutionelle Investoren eher auf sichere Häfen der Branche wie Exxon, BP oder Shell setzen als auf ein Unternehmen wie Petrobras, das vor wenigen Jahren noch stark gefährdet war. Die Chancen, dass aus dem krisengeschüttelten Konzern über die kommenden Jahre wieder ein ganz „normaler“ Energie-Riese wird, der zudem noch über enorme Reserven vor der brasilianischen Küste verfügt, stehen mittlerweile aber wieder gut. Ein Investment auf dem aktuellen Niveau könnte sich dann auch für zahlreiche institutionelle Anleger durchaus wieder lohnen.
Ein heißes Gemisch
Zugegeben: Ein Populist an der Macht, ein einbrechender Ölpreis und ein Berg von Schulden machen aus Petrobras nicht gerade ein Witwen- und Waisenpapier. Dennoch hellen sich die Perspektiven für den einstigen Krisenkonzern wieder deutlich auf. Wer über Mut und Geduld verfügt, hat in den kommenden Monaten – und im Idealfall auch in den kommenden Jahren – mit der Vorzugsaktie des Energie-Riesen die Chance auf satte Gewinne.
Dieser Artikel war Teil der Ausgabe 49/2018.