Der Streamingriese hat im zweiten Quartal deutlich mehr Abonnenten gewonnen als erwartet und auch für den aktuellen Zeitraum ist Netflix zuversichtlich. Dass die Aktie seit der Veröffentlichung trotzdem unter Druck steht, dürfte an der sportlichen Bewertung der Aktie liegen – und an einem Wert, der unter Privatanlegern nur wenig Beachtung findet.
Netflix hat es den Kritikern gezeigt: Die Maßnahmen zur Bekämpfung von „Paid Sharing“ sind erfolgreich. Im zweiten Quartal stieg die Zahl der Neuabonnenten um 5,9 Millionen. Der Wert lag meilenweit über den Prognosen der Wall Street, die mit einem Zuwachs von 2,0 bis 4,0 Millionen kalkuliert hatten.
Seit der Veröffentlichung der Q2-Zahlen ist die Aktie dennoch um rund 50 Dollar im Wert abgerutscht, ein Minus von knapp über zehn Prozent. Wie passen operative Entwicklung und Kursverlauf zusammen?
Anleger müssen berücksichtigen, dass Netflix von der Bekanntgabe der Q1-Ergebnisse bis zu den Q2-Zahlen um rund 50 Prozent im Wert gestiegen ist. Die Bewertung der Aktie ist entsprechend in die Höhe geschnellt. Selbst nach der Korrektur beträgt das KGV (2023e) noch 38.
Positive Aussagen zum gestiegenen FCF kann man zudem getrost als Marketinggag bezeichnen, denn: er ist das Ergebnis geringer Ausgaben für die Produktion, nachdem die Hollywood-Autoren den Streik ausgerufen haben. Dieser Logik folgend würde Netflix maximal beim FCF zulegen, würde überhaupt nicht mehr produziert.
Was viele Anleger bislang zudem kaum auf dem Schirm haben sind Netflix Marketingausgaben. Die sind überdurchschnittlich stark um 9,1 Prozent auf 627 Millionen Dollar gestiegen. Gleichzeitig ist der ARPU pro Kunde (über alle Regionen) um 3,4 Prozent auf 11,55 Dollar gesunken. Netflix hat also für die Gewinnung jedes Kunden rund 106 Dollar aufgewendet und muss diese Kunden nun mindestens neun Monate halten, damit sie nicht zum Verlustgeschäft werden.
Natürlich ist es für Netflix angenehmer über Erfolge beim Kundenwachstum zu sprechen, als über die damit verbundenen Kosten. In Kombination mit dem geringen Umsatzwachstum und der sportlichen Bewertung der Aktie scheinen die Skeptiker bei Netflix allerding ein paar Trümpfe mehr in der Hand zu halten als vor ein paar Wochen.
Die Q2-Zahlen von Netflix haben Fans und Skeptikern der Aktie gleichermaßen Argumente geliefert. Die nächsten Wochen werden zeigen, wer beim Streamingriesen das Ruder übernimmt. Der langfristige Aufwärtstrend ist intankt, insofern ist es auch die Empfehlung des AKTIONÄR.
Hinweis auf Interessenkonflikte:
Der Chefredakteur dieser Publikation, Herr Leon Müller, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Netflix.