Wenn eine Aktie vor den Zahlen steigt und steigt (35 Prozent seit Vorlage der Zahlen zum ersten Quartal, 50 Prozent seit Jahresanfang), dann müssen Bilanz und Ausblick besonders gut werden. Gut allein reicht nicht mehr. So war es am Mittwoch bei Netflix – die Aktie büßte acht Prozent ein. Was störte die Börse?
Zunächst ein Blick auf das Positive. Wichtigste Erkenntnis: Netflix kann noch merklich wachsen. Im zweiten Quartal gewann der Streaming-Gigant 5,9 Millionen neue Nutzer. Der Umsatz kletterte um 2,7 Prozent auf 8,2 Milliarden Dollar. Der Gewinn je Aktie verbesserte sich auf 3,29 Dollar.
Die Analysten hatten mit Erlösen von 8,3 Milliarden und einem Gewinn je Anteilschein von 2,86 Dollar gerechnet.
So weit, so gut. Auch der verhaltene Ausblick auf das dritte Quartal dürfte niemanden überrascht haben. Eine richtige Verbesserung erwartet Netflix erst im vierten Quartal mit dann 7,2 Millionen neuen Abonnenten.
Das Haar, das die Börse in der Suppe gefunden hat, war der maue Umsatz pro Kunde (ARPU). Der fiel in vielen Regionen stärker als erwartet: In den USA lag der ARPU bei 16 Dollar (Prognose: 16,30 Dollar), in Europa bei 10,87 Dollar (11,00), in Lateinamerika bei 8,58 (8,65) und in Asien bei 7,66 (8,07).
Und noch eine Sache dürfte den Anlegern nicht schmecken: Der Streik der Drehbuchautoren und Schauspieler in Hollywood bringt Netflix zwar mehr Cashflow, allerdings fehlt es dem Unternehmen auch an Nachschub. „Wenn der Ausstand bis in den September hinein andauert, wird das ein echtes Problem“, so Analyst Michael Nathanson zu CNBC.
Vielleicht sogar ein nachhaltiges Problem für Netflix. Viele Kunden, die nichts Neues zu sehen bekommen, könnten kündigen, zu einem anderen Dienst wechseln und dort bleiben, weil ihnen das Angebot vielleicht besser gefällt. Disney+ oder Paramount+ machen Netflix bereits jetzt immer größere Konkurrenz, und auch Amazon mit Prime Video kann sich sehen lassen.
Netflix ist gut unterwegs, keine Frage, doch es gibt noch einiges zu tun. Nach den Zahlen ist wohl erst einmal Konsolidierung angesagt. AKTIONÄR-Leser, die seit der Empfehlung vor einem Jahr 130 Prozent vorne liegen, bleiben dabei und setzen den Stoppkurs bei 306 Euro.
Hinweis auf Interessenkonflikte:
Der Chefredakteur dieser Publikation, Herr Leon Müller, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Netflix.